Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen 11., überarb. Auflage
Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen
Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen 11. Auflage
Titel Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen Herausgeber Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales Winzererstraße 9, 80797 München www.stmas.bayern.de Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz Winzererstraße 9 – Eckbau Süd, 80797 München Mildred-Scheel-Straße 4, 92224 Amberg www.ifp.bayern Projektleitung und Gesamtverantwortung Prof. Dr. Dr. Dr. Dr. h. c. mult. Wassilios E. Fthenakis, ehem. Direktor des Staatsinstituts für Frühpädagogik und Medienkompetenz Schriftleitung und Gesamtredaktion Eva Reichert-Garschhammer, stv. Direktorin und Abteilungsleiterin im Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz Umschlagmotive stock.adobe.com: © Maksim Kostenko (links), © Gina Sanders (Mitte), © ferkelraggae (rechts) Fotos Innenteil siehe Abbildungsnachweis (S. 486) Illustration Katja Wehner, Leipzig (S. 345) Umschlaggestaltung Claudia Adam Graphik-Design, Darmstadt Technische Umsetzung Markus Schmitz, Büro für typographische Dienstleistungen, Altenberge Bearbeitung Neuauflage 2024: LemmeDESIGN, Berlin Druck Livonia Print SIA, Riga, LV Verlag an der Ruhr Mülheim an der Ruhr www.verlagruhr.de Urheberrechtlicher Hinweis Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Der Verlag untersagt ausdrücklich das Herstellen von digitalen Kopien, das digitale Speichern und Zurverfügungstellen dieser Materialien in Netzwerken (das gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen), per E-Mail, Internet oder sonstigen elektronischen Medien außerhalb der gesetzlichen Grenzen. Keine gewerbliche Nutzung. Näheres zu unseren Lizenzbedingungen können Sie unter www.verlagruhr.de/lizenzbedingungen/ nachlesen. Soweit in diesem Produkt Personen fotografisch abgebildet sind und ihnen von der Redaktion fiktive Namen, Berufe, Dialoge u. Ä. zugeordnet oder diese Personen in bestimmte Kontexte gesetzt werden, dienen diese Zuordnungen und Darstellungen ausschließlich der Veranschaulichung und dem besseren Verständnis des Inhalts. 11. Auflage 2024 © 2006 Cornelsen Verlag, Berlin © 2016 Cornelsen Verlag GmbH, Berlin (ISBN 978-3-589-24794-3) © 2024 Verlag an der Ruhr GmbH, Wilhelmstr. 20, 45468 Mülheim an der Ruhr, E-Mail: info@verlagruhr.de ISBN 978-3-8346-5295-9
V Inhalt Vorworte IX Bayerische Leitlinien für die Bildung und Erziehung von Kindern bis zum Ende der Grundschulzeit (Kurzfassung) XVII Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen Teil 1: Grundlagen und Einführung 2 1 Notwendigkeit eines Bildungs- und Erziehungsplans für Kindertageseinrichtungen 4 1.1 Gesellschaftliche Veränderungen 5 1.2 Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse 7 1.3 Neue Entwicklungen im Elementarbereich 8 2 Menschenbild und Prinzipien, die dem Bildungs- und Erziehungsplan zugrunde liegen 10 2.1 Bild vom Kind 11 2.2 Verständnis von Bildung 12 2.3 Bildung als lebenslanger Prozess – Stellenwert der frühen Bildung 14 2.4 Leitziele von Bildung 14 2.5 Verhältnis von Bildung und Entwicklung, Bildung und Erziehung 16 2.6 Lernen im Kindesalter 17 2.7 Verhältnis von Spielen und Lernen 19 2.8 Umgang mit individuellen Unterschieden und soziokultureller Vielfalt 21 2.9 Prinzip der Entwicklungsangemessenheit 22 2.10 Demokratieprinzip 23
VI Inhalt 3 Charakteristika des Bildungs- und Erziehungsplans 26 3.1 Ein Plan für Kindertageseinrichtungen 27 3.2 Der Plan als Orientierungsrahmen – Handlungsanleitung zur AVBayKiBiG 27 3.3 Stärkere Integration von Jugendhilfeangeboten in Kindertageseinrichtungen 29 3.4 Der Plan als Ergebnis breiter Beteiligung und der Erprobung 30 3.5 Der Plan als offen bleibendes Projekt 31 Teil 2: Bildung und Erziehung von Kindern in Tageseinrichtungen 34 4 Aufbau des Bildungs- und Erziehungsplans 36 4.1 Die Teile des Bildungs- und Erziehungsplans 37 4.2 Binnenstruktur der Kapitel 39 4.3 Praxisbeispiele und Literatur 41 4.4 Berücksichtigung von Kindern bis drei Jahre und im Grundschulalter 42 4.5 Umsetzung des Plans als Prozess 43 5 Basiskompetenzen des Kindes 46 Personale Kompetenzen 5.1 Selbstwahrnehmung 47 5.2 Motivationale Kompetenzen 48 5.3 Kognitive Kompetenzen 50 5.4 Physische Kompetenzen 52 Kompetenzen zum Handeln im sozialen Kontext 5.5 Soziale Kompetenzen 53 5.6 Entwicklung von Werten und Orientierungskompetenz 55 5.7 Fähigkeit und Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme 56 5.8 Fähigkeit und Bereitschaft zur demokratischen Teilhabe 57 Lernmethodische Kompetenz 5.9 Lernmethodische Kompetenz – Lernen, wie man lernt 58 Kompetenter Umgang mit Veränderungen und Belastungen 5.10 Widerstandsfähigkeit (Resilienz) 73
VII Inhalt 6 Themenübergreifende Bildungs- und Erziehungs- perspektiven 88 6.1 Übergänge des Kindes und Konsistenz im Bildungsverlauf (Transitionen) 89 6.1.1 Übergang von der Familie in die Tageseinrichtung 96 6.1.2 Übergang in die nachfolgende Tageseinrichtung 106 6.1.3 Übergang in die Grundschule 110 6.2 Umgang mit individuellen Unterschieden und soziokultureller Vielfalt 121 6.2.1 Kinder verschiedenen Alters 121 6.2.2 Mädchen und Jungen – Geschlechtersensible Bildung 125 6.2.3 Kinder mit verschiedenem kulturellem Hintergrund – Interkulturelle Bildung 133 6.2.4 Kinder mit erhöhtem Entwicklungsrisiko und (drohender) Behinderung 141 6.2.5 Kinder mit Hochbegabung 156 7 Themenbezogene Bildungs- und Erziehungsbereiche 160 Werteorientiert und verantwortungsvoll handelnde Kinder 7.1 Werteorientierung und Religiosität 161 7.2 Emotionalität, soziale Beziehungen und Konflikte 174 Sprach- und medienkompetente Kinder 7.3 Sprache und Literacy 195 7.4 Digitale Medien und Technologien 219 Fragende und forschende Kinder 7.5 Mathematik 242 7.6 Naturwissenschaften und Technik 263 7.7 Umwelt 282 Künstlerisch aktive Kinder 7.8 Ästhetik, Kunst und Kultur 300 7.9 Musik 327 Starke Kinder 7.10 Bewegung, Rhythmik, Tanz und Sport 346 7.11 Gesundheit 364
VIII Inhalt 8 Schlüsselprozesse für Bildungs- und Erziehungsqualität 394 8.1 Mitwirkung der Kinder am Bildungs- und Einrichtungs- geschehen (Partizipation) 395 8.2 Moderierung von Bildungs- und Erziehungsprozessen 421 8.2.1 Bildungsprozesse mit Kindern kooperativ gestalten (Ko-Konstruktion) 421 8.2.2 Bilden einer lernenden Gemeinschaft 422 8.2.3 Philosophieren mit Kindern 423 8.2.4 Kindern zuhören – Kindern Fragen stellen 424 8.2.5 Kinder in ihrem Verhalten unterstützen (Verstärkung) 427 8.2.6 Kindern Hilfestellung geben (Scaffolding) 428 8.2.7 Problemlösendes Verhalten der Kinder stärken 429 8.2.8 Projekt- und Aufgabenanalyse mit Kindern 429 8.2.9 Weitere Moderationsmethoden und ‑techniken 430 8.3 Beteiligung und Kooperation 432 8.3.1 Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern 432 8.3.2 Gemeinwesenorientierung – Kooperation und Vernetzung mit anderen Stellen 444 8.3.3 Soziale Netzwerkarbeit bei Gefährdungen des Kindeswohls 450 8.4 Beobachtung, Evaluation und Weiterentwicklung 459 8.4.1 Beobachtung und Dokumentation von Lern- und Entwicklungsprozessen 459 8.4.2 Innovationsfähigkeit und Bildungsqualität – Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung auf Einrichtungsebene 463 Teil 3: Anhang 466 9. Mitglieder der Fachkommission 468 10. Verzeichnis der Autorinnen, Autoren, Expertinnen und Experten 472 11. Überblick über die Praxisbeispiele aus den Modell- einrichtungen 480 12. Modelleinrichtungen 482 13. Abbildungsnachweis 486
IX Vorworte Vorwort von Frau Staatsministerin Ulrike Scharf, MdL, für den Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan (BayBEP) Die außerfamiliäre Bildung, Erziehung und Betreuung befinden sich fortwährend im Wandel. Die Diskussion darüber, wie und vor allem von wem der Bildungsauftrag in Kindertageseinrichtungen umzusetzen ist, erfährt neuen Schwung. Denn die Nachfrage nach Plätzen steigt, die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten des Lernens und der massive Fachkräftebedarf fordert neue und innovative Wege der Qualifizierung ein. In all der Dynamik und den Herausforderungen in der Frühpädagogik bildet der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan (BayBEP) nun seit fast zwei Jahrzehnten die Grundlage für hohe Qualität in Kindertageseinrichtungen. 2005 eingeführt, ist er eine Erfolgsgeschichte, die sich nun in der 11., aktualisierten Auflage fortsetzt. Die rechtliche Grundlage für den BayBEP bildet das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) mit seinen Bildungs- und Erziehungszielen. Sie sind ein fundierter Orientierungsrahmen für die pädagogische Arbeit mit Kindern und ihren Familien, zusammen mit der Handreichung Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren und den Bayerischen Leitlinien für die Bildung und Erziehung von Kindern bis zum Ende der Grundschulzeit (BayBL). Der BayBEP stellt das Kind mit seinen Rechten, individuellen Bedürfnissen und Kompetenzen in den Mittelpunkt. Wenn Kinder sich aktiv beteiligen, mitreden und mitgestalten können, stärken wir sie in ihren sozialen Kompetenzen und ihrer spontanen Freude am Lernen. Das ist echte Partizipation. Der BayBEP, seine Grundsätze und Prinzipien, sein Bildungs- und Lernverständnis und seine vielfältigen Einladungen zu qualitativ hochwertigen Interaktionen mit Kindern sowie in der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern finden eine kontinuierliche Umsetzung in der Praxis in Bayern: So setzt beispielsweise die Digitalisierungsstrategie Kita in Bayern zeitgemäße und nachhaltige Akzente. Das Gesamtkonzept für berufliche Weiterbildung bietet neue und innovative Wege der Qualifizierung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern in die Arbeit in Kindertageseinrichtungen in Bayern und liefert, alternativ zur klassischen Ausbildung, einen hohen qualitativen und quantitativen Beitrag zur Gewinnung von Fachkräften.
X Vorworte Und für eine gelingende Integration und Inklusion ist die sprachliche Bildung von entscheidender Bedeutung. Daher hat sich der Freistaat Bayern für eine modifizierte Fortführung der Sprach-Kitas als Landesprogramm entschieden. Hinzu kommt, dass Kinder immer mehr Zeit in Kindertageseinrichtungen verbringen. Es kommt also sehr darauf an, Kinder auch in ihren Alltagskompetenzen zu stärken. Um den BayBEP in den Kindertageseinrichtungen wirkungsvoll umzusetzen, ist es wichtig, die Praxis fachlich gut und kontinuierlich zu begleiten. Die Bildungs- und Interaktionsqualität in bayerischen Kitas sichern das Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz, die Pädagogischen Qualitätsbegleitungen und Fachberatungen. Zudem bieten zahlreiche Träger vielseitige Fortbildungen an. Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihr Engagement und wünsche Ihnen von ganzem Herzen alles Gute für Ihre wichtige Arbeit. Ulrike Scharf, MdL Bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales
XI Vorworte Vorwort von Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. Dr. h. c. mult. Wassilios E. Fthenakis Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan hat seine Bewährungsprobe erfolgreich bestanden. Seine theoretische und pädagogischdidaktische Fundierung, seine breite wie erfolgreiche Implementation, die Verankerung seiner Ziele im Bayerischen Kinderbildungs- und ‑betreuungsgesetz, vor allem aber die breite Anerkennung im frühpädagogischen Feld bestätigen, dass dieser Bildungsplan in jeder Hinsicht Maßstäbe gesetzt hat und zum Vorbild vergleichbarer Entwicklungen in anderen Bundesländern und über Deutschland hinaus geworden ist. Mit diesem Plan ist es gelungen, bislang im Elementarbereich vorherrschende selbstgestaltungstheoretische Positionen bei der Fundierung von Bildungsprozessen zugunsten interaktionistischer Ansätze zu verlassen und damit das Bildungsverständnis neu zu konzeptualisieren. Wenn Bildung nunmehr als sozialer Prozess definiert wird, die Interaktion als der Schlüssel für Sinnkonstruktion und für die Generierung von Wissen angesehen wird, so verändert dies nicht nur unser Bildungsverständnis, sondern folgerichtig auch die Bildungsziele, den methodisch-didaktischen Ansatz, die Qualität der Beziehung zwischen Fachkräften und Kindern und die Beziehung der verschiedenen Bildungsorte untereinander. Ein Bildungsplan kann am besten Orientierung bieten, wenn er eine klare Architektur und eine hohe innere Konsistenz aufweist. Dem Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan ist es vorbildhaft gelungen, eine solche Architektur zu entwerfen: Er definiert Visionen, die alle Bildungsorte und Fachkräfte miteinander verbinden, und schafft damit die Voraussetzungen dafür, dass alle Beteiligten an derselben kindlichen Entwicklungs- und Bildungsbiografie und auf gleicher bildungsanthropologischer Grundlage ko-konstruieren. Die Taxonomie der Kompetenzen, die im Mittelpunkt bei der Organisation von Bildungsprozessen stehen und die Bildungsziele konkretisieren lassen, bietet nicht nur eine klare und ganzheitliche Grundlage für die Stärkung kindlicher Entwicklung, sie führt zugleich bislang wenig beachtete, ja sogar vernachlässigte Kompetenzen ins Zentrum des Bildungsgeschehens ein: Lernmethodische Kompetenzen wie auch die Stärkung kindlicher Widerstandsfähigkeit zählen dazu. Die Bildungsbereiche bilden den thematischen Rahmen für die Gestaltung von Bildungsprozessen und bieten den Rahmen für die Generierung von neuem Wissen und für die Erforschung von Bedeutung. Dies alles geschieht mithilfe des didaktisch-pädagogischen Ansatzes der KoKonstruktion, der erstmals von einer aktiven Mitgestaltung aller Beteiligten ausgeht, der Kinder wie der Fachkräfte bzw. der Erwachsenen und anderer
XII Vorworte Kinder. Die Organisation von sozial und kulturell eingebetteten Bildungsprozessen erfolgt auf der Grundlage gemeinsamer Grundsätze und Prinzipien. Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan stellt das Kind mit seinen Stärken in den Mittelpunkt. Er verlässt eine bislang primär institutionell verankerte Perspektive und interessiert sich in erster Linie für die individuelle kindliche Entwicklungs- und Bildungsbiografie und für deren Optimierung. Indem das Kind seine eigene Bildungsbiografie ko-konstruiert, partizipiert das Kind aktiv am Bildungsgeschehen. Der Individualität eines Kindes kann man auf dem Wege der Differenzierung und Individualisierung von Bildungsprozessen am ehesten gerecht werden. Und um individuelle Gerechtigkeit zu erreichen, wird Diversität auf allen Ebenen als die normale Situation betrachtet, die es zu begrüßen und systematisch zu nutzen gilt, um mehr individuellen Fortschritt und gemeinsamen Gewinn zu erzielen. Wenn Bildung, wie erwähnt, einen sozialen Prozess darstellt und die soziale Interaktion als der Schlüssel zur Sicherung von Bildungsqualität betrachtet wird, dann ist nachvollziehbar, warum im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan interaktionale Prozesse und deren Qualität einen zentralen Stellenwert einnehmen sowie Ansätze zu deren Moderierung verankert werden. Diese Interaktionen beschränken sich nicht nur auf den bildungsinstitutionellen Rahmen, sie umfassen, ganz im Sinne eines ökopsychologischen Ansatzes, auch die außerhalb der Bildungsinstitutionen befindlichen Bildungsorte, in erster Linie die Familie, die zur Optimierung der individuellen kindlichen Bildungsbiografie beitragen. Durch die Konzeptualisierung dieser dynamischen Beziehung der Bildungsorte untereinander im Sinne einer Bildungspartnerschaft werden neue Maßstäbe bei der Regelung der Beziehung der Bildungsinstitution zu diesen anderen Bildungsorten eingeführt. Ein Bildungsplan stellt ein politisch-gesellschaftliches „Instrument“ dar, mit dessen Hilfe eine hohe Bildungsqualität in allen Bildungsorten und für alle Kinder gesichert werden soll. Wir sind gut beraten, ihn als ein entwicklungsoffenes Projekt zu begreifen. Aus der heutigen Perspektive kann diese Offenheit genutzt werden, um den Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan weiterzuentwickeln: vertikal im Sinne einer Weiterentwicklung zu einem institutionenübergreifenden Bildungsplan. Horizontal stellt eine stärkere Berücksichtigung und Einbeziehung der sozialen Räume des Aufwachsens von Kindern eine notwendige konzeptuelle Erweiterung dar. Ferner gilt es, die Philosophie, die Prinzipien und Grundsätze sowie den didaktisch-pädagogischen Ansatz in der Erzieherausbildung zu verankern, um Nachhaltigkeit zu sichern. Und schließlich müssen wir uns stärker einer Perspektive verpflichtet fühlen, Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Herausforderung anzusehen, um dazu beizutragen, das politische Ziel, die Gemeinde zu einem großen Bildungsort zu entwickeln, verwirklichen zu können. Wenn frühe Bildung das Fundament des Bildungssystems ist, dann sind die Bedingungen, unter denen heute solche Bildungsprozesse organisiert werden, zu optimieren. Es müssen auch weiterhin Anstrengungen unternommen werden, um die administrativ-politisch definierten Standards von pädagogischer Qualität den Standards von hoher Bildungsqualität anzunähern,
XIII Vorworte die Qualifizierung der Fachkräfte voranzubringen und ein politisches Klima zu entwickeln, das Bildung als die zentrale Ressource des Landes betrachtet, das Kind und sein Wohl, sein unveräußerliches Recht auf beste Bildung von Anfang an, stets als Maß und Orientierung politischen Handelns anerkennt. Die Zukunft eines jeden Landes hängt unmittelbar von der Qualität, die wir heute für die Bildung unserer Kinder bereitstellen, ab. Allen, die die Implementation und Weiterentwicklung dieses Bildungsplans in den zurückliegenden Jahren unterstützt haben, gilt mein aufrichtiger Dank. Dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, insbesondere der Staatsministerin, Frau Christine Haderthauer, danke ich für ihr großes Engagement für die Bildung unserer Kinder. Mein Dank gilt auch meiner Nachfolgerin im IFP, Frau Prof. Dr. Fabienne BeckerStoll, für ihr Interesse an der Weiterentwicklung des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans, das sie nicht zuletzt mit einem Vorwort in dieser Auflage bekundet. Der Abteilungsleiterin, Frau Eva Reichert-Garschhammer, die mit ihrem unermüdlichen Einsatz landesweit das Interesse an diesem Bildungsplan lebendig hält und allen (früheren) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich nach wie vor für die (damals) gemeinsam definierten Ziele zum Wohle der Kinder dieses Landes einsetzen, ihnen allen gilt mein besonderer Dank und meine hohe Anerkennung. Möge dieser Plan auch weiterhin die Diskussion um frühkindliche Bildung in Bayern und darüber hinaus bereichern, vielen pädagogischen Fachkräften vor Ort Bestätigung und Orientierung bringen. An dessen Weiterentwicklung aktiv mitzuwirken, ist nach wie vor die Erwartung und eine Hypothek für alle, die Verantwortung für die Kinder dieses Landes tragen. Möge es gelingen. Prof. Dr. Dr. Dr. Dr. h. c. mult. Wassilios E. Fthenakis
XIV Vorworte Vorwort von Prof. Dr. Fabienne Becker-Stoll Seit meiner Übernahme der IFP-Leitung im Januar 2006 zählen die Implementierung und die Weiterentwicklung des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans (BayBEP) zu den Kernaufgaben des Staatsinstituts für Frühpädagogik und Medienkompetenz. Im Fokus der BayBEP-Implementierung steht der landeszentrale Auf- und Ausbau eines Qualifizierungs- und Coaching-Angebots für Kitas in Bayern, den das IFP in enger Kooperation mit den Ministerien und Fortbildungsträgern konzipiert und fachlich-wissenschaftlich begleitet. Zu den IFP-Aufgaben gehören vor allem auch die Qualifizierung und Begleitung der eingesetzten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie die Evaluation der Maßnahmen. Wichtige, bereits abgeschlossene Qualifizierungsprojekte waren die Kampagnen „Startchance Bildung“, „Übergang als Chance“ und „Dialog Bildung“ sowie die Projekte „Sprachberatung in Kitas“ und „Voneinander lernen und profitieren – Aufbau eines Netzwerks von Konsultationseinrichtungen zur Unterstützung der Praxis bei der BayBEP-Umsetzung“; das Ko-Kita-Netzwerk wird seit 2017 als Praxisbeirat am IFP weitergeführt. Aktuelle Qualifizierungsmaßnahmen, die das IFP teils auch mit Kooperationspartnerinnen und -partnern durchführt und zunehmend als laufende Aufgabe begleitet, unterstützen bayerische Kitas bei folgenden Themen: n „Pädagogische Qualitätsbegleitung (PQB) für Kitas und (Groß-)Tagespflegestellen“ – ein Coaching-Angebot zur Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität im Bereich der Interaktionsqualität n „Feinfühligkeit von Fachkräften und Eltern – Beziehungen mit Kindern im Alter von 0-10 Jahren gestalten“ – Angebot von Inhouse-Workshops und Elternabenden für Kitas n „Vorkurs Deutsch 240 in Bayern“ – Fortbildungskampagne für Kindergärten und Grundschulen n Digitalisierungsstrategie Kita in Bayern – verschiedene Qualifizierungsmaßnahmen, die Kitas bei der Umsetzung ihres digitalen Bildungsauftrags unterstützen („Startchance kita.digital“, „kita.digital.vernetzt“, „PIXELWERKSTATT“ am IFP) n Multiplikatorenpool, der auf Anfrage Fortbildungen und Inhouse-Begleitungen zur Konzeptions- und Schutzkonzeptentwicklung durchführt n Landesprogramm zur Fortführung der Sprach-Kitas in Bayern – Begleitung der Sprach-Kitas bei ihrer Qualitätsentwicklung der sprachlichen Bildung, auch vernetzt mit den anderen Landesprogrammen
XV Vorworte n Gesamtkonzept für die berufliche Weiterbildung für Kitas – eine Maßnahme zur Gewinnung neuer Fachkräfte für bayerische Kindertageseinrichtungen Aus all den Qualifizierungsmaßnahmen und weiteren IFP-Projekten gehen viele Praxismaterialien und seit einiger Zeit auch offene Onlinekurse hervor, die das Qualifizierungsangebot ergänzen und zugleich auch den BayBEP weiterführen und aktualisieren. Die Kurse und viele der Materialien sind auf der vom IFP aufgebauten und betriebenen Onlineplattform KITA HUB Bayern (www.kita.bayern) im Bereich KURSE und in der MEDIENECKE sowie auf der neuen IFP-Website (www.ifp.bayern) online abrufbar. Seit seiner Einführung im Herbst 2005 befindet sich der BayBEP nun in der 11. Auflage, die im Herbst 2024 erschienen ist. Inhaltliche Weiterentwicklungen fanden im ministeriellen Auftrag in vier Schritten statt: 1) 2010 erschien die Handreichung „Bildung, Erziehung und Betreuung in den ersten drei Lebensjahren“, die den BayBEP ergänzt und konkretisiert. Der bundesweite Ausbau von Plätzen für unter Dreijährige rückte seinerzeit auch die Bildungsarbeit mit Kleinkindern und deren pädagogische Qualität in den Vordergrund. Die Handreichung verdeutlicht, welches Potenzial der BayBEP für diese Altersgruppe bieten kann. Sie gilt nicht nur für Tageseinrichtungen, die auch Kinder bis drei Jahren aufnehmen, sondern auch für die Kindertagespflege. Das Thema „Qualität von Anfang an“ wird flankiert durch weitere IFP-Veröffentlichungen und IFP-Krippenstudien, deren Berichte auf der IFP-Website veröffentlicht sind. 2) 2012 wurden die „Bayerischen Leitlinien für die Bildung und Erziehung von Kindern bis zum Ende der Grundschulzeit“ für Kitas und Grundschulen verbindlich eingeführt. Die Bildungsleitlinien erleichtern den Austausch der verschiedenen Bildungsorte als Partner in ihrer gemeinsamen Verantwortung für das Kind und die Sicherstellung kontinuierlicher, anschlussfähiger Bildungsprozesse und behutsamer Übergänge im Bildungsverlauf. Die BayBL-Kurzfassung ist als Einstiegstext im BayBEP (seit der 5., erweiterten Auflage) und im online verfügbaren LehrplanPLUS Grundschule verankert. Die BayBL-Broschüre, die auch die BayBL-Langfassung enthält, steht als Online-Publikation zum Download bereit. 3) 2018 sind in der 7. Auflage kleine Textergänzungen im BayBEP zu den Themen „Dialekt“ und „Linkshändigkeit“ an mehreren Stellen erfolgt; zudem wurde im Kapitel 7.10 Bewegung das „frühzeitige Schwimmenlernen“ als Gesprächsthema mit Eltern in den Leitgedanken neu einfügt. 4) In der nun vorliegenden 11. Auflage sind vordringliche BayBEP-Aktualisierungen erfolgt. Um eine Übereinstimmung mit wichtigen aktuellen Entwicklungen und Forschungserkenntnissen herbeizuführen, wurden dabei auch Passagen gestrichen und/oder ersetzt. Die wichtigsten Aktualisierungen sind: n BayBEP-Titel: Streichung „bis zur Einschulung“, weil der BayBEP seit der BayBL-Einführung auch für Horte gilt
XVI Vorworte n Kapitel 6.2.3 „Kinder mit verschiedenem kulturellem Hintergrund – Interkulturelle Bildung“: Streichung des Praxisbeispiels „Gemeinsam geht’s besser“ n Kapitel 7.2 „Emotionalität, soziale Beziehungen und Konflikte“: neuer Info-Kasten „Feinfühligkeit – der Individualität des Kindes gerecht werden“; Streichung des Beispiels „Konfliktbearbeitung in der Kinderkrippe“ n Kapitel 7.3 „Sprache und Literacy“: Aktualisierung der Passagen zur Sprachstandserhebung und zum Vorkurs Deutsch n Kapitel 7.4 „Digitale Medien und Technologien“: Neufassung anhand der Ergebnisse aus dem Modellversuch „Medienkompetenz in der Frühpädagogik stärken“ und der Kampagne „Startchance kita.digital“, weil sich die Medienwelt seit der BayBEP-Einführung im Jahr 2005 im Zuge der Digitalisierung fundamental verändert hat n Kapitel 7.5 „Mathematik“: Beispiel „,Entdeckungen im Zahlenland‘ (nach G. Preiß) – ,Komm mit ins Zahlenland‘ (nach G. Friedrich)“ ersetzt durch das in der Evaluation besser abschneidende Konzept „Mengen, zählen, Zahlen – Entwicklungsorientierte Förderung früher mathematischer Kompetenz“ (K. Krajewski, G. Nieding, W. Schneider) n Wording: angepasst an das Wording der Bildungsleitlinien n Literaturangaben: überprüft und aktualisiert Ich wünsche den Leserinnen und Lesern nun eine anregende Lektüre und viel Freude bei der Arbeit nach dem Bayerischen Bildungsplan und den darin integrierten Bildungsleitlinien. Prof. Dr. Fabienne Becker-Stoll
XVII Leitlinien Bayerische Leitlinien für die Bildung und Erziehung von Kindern bis zum Ende der Grundschulzeit (Kurzfassung) 1. Notwendigkeit und Geltungsbereich gemeinsamer Leitlinien für Bildung und Erziehung Zu den Hauptaufgaben verantwortungsvoller Bildungspolitik zählt es, allen Kindern frühzeitig bestmögliche Bildungserfahrungen und ‑chancen zu bieten. Im Fokus steht das Recht des Kindes auf Bildung von Anfang an. Da Bildungsprozesse auf Anschlusslernen beruhen, kommt der Kooperation aller außerfamiliären Bildungsorte mit der Familie und untereinander eine hohe Bedeutung zu. Zukunftsweisende Bildungssysteme und ‑konzepte stellen das Kind als aktiven Mitgestalter seiner Bildung in den Mittelpunkt. Die Leitlinien schaffen sowohl einen verbindlichen Orientierungs- und Bezugsrahmen als auch Grundlagen für den konstruktiven Austausch zwischen den unterschiedlichen Bildungsorten. Sie definieren ein gemeinsames Bildungsverständnis, entwickeln eine gemeinsame Sprache für eine kooperative und anschlussfähige Bildungspraxis und ermöglichen dadurch Kontinuität im Bildungsverlauf. Ihr Geltungsbereich umfasst alle außerfamiliären Bildungsorte, die Verantwortung für Kinder bis zum Ende der Grundschulzeit tragen: Kindertageseinrichtungen nach dem BayKiBiG, Grund- und Förderschulen, Kindertagespflege, schulvorbereitende Einrichtungen, heilpädagogische Tagesstätten und sonstige Bildungseinrichtungen sowie Einrichtungen der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Auf der Basis der Leitlinien werden der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan (BayBEP) und der Lehrplan für die bayerische Grundschule weiterentwickelt, ebenso die Konzepte für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Pädagoginnen und Pädagogen. 2. Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege und Schulen Der Bildungsauftrag ist in internationalen und nationalen grundlegenden Dokumenten festgeschrieben. Auf internationaler Ebene sind dies insbesondere die UN-Konventionen über die Rechte des Kindes und über die Rechte der Menschen mit Behinderungen, denen Deutschland beigetreten ist, sowie der Europäische und der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR/DQR), die Bildungssysteme zwischen EU-Staaten vergleichbar machen. In Bayern ist der Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen, Tagespflege und Schulen in verschiedenen Landesgesetzen verankert (z. B. BayKiBiG, BayEUG), die mit Verabschiedung der Leitlinien eine Verbindung erfahren. Die weitere Öffnung von Bildungsinstitutionen für Kinder mit be
XVIII Leitlinien sonderem Förderbedarf ist eine wichtige Aufgabe, ebenso wie die Optimierung der Übergänge zwischen den Bildungseinrichtungen und die Sicherung der Bildungsqualität auf einem hohen Niveau für alle Kinder. 3. Menschenbild und Bildungsverständnis 3.1 Bildung von Anfang an – Familie als erster und prägendster Bildungsort Gelingende Bildungsprozesse hängen maßgeblich von der Qualität der Beziehungs- und Bindungserfahrungen ab. Von zentraler Bedeutung sind die Erfahrungen, die das Kind in den ersten Lebensjahren in der Familie macht; die Qualität der Bindungen in der Familie ist jedoch auch noch im Schulalter bestimmend für den Lernerfolg jedes Kindes. In der Familie als primärem Ort der sozial-emotionalen Entwicklung legen die Eltern den Grundstein für lebenslanges Lernen, aber auch für die emotionale, soziale und physische Kompetenz. Bildung – ob in der Kindertageseinrichtung oder Schule – kann daher nur aufbauend auf die Prägung in der Familie erreicht werden. Daraus ergibt sich die Aufgabe aller außerfamiliären Bildungsorte, Eltern in ihrer Unersetzlichkeit, ihrer Wichtigkeit und ihrer Verantwortung wertzuschätzen und entsprechend in ihrer Aufgabe zu unterstützen. Bildung vollzieht sich als individueller und sozialer Prozess. Kinder gestalten ihren Bildungsprozess aktiv mit. Sie sind von Geburt an mit grundlegenden Kompetenzen und einem reichhaltigen Lern- und Entwicklungspotenzial ausgestattet. Eine elementare Form des Lernens ist das Spiel, das sich zunehmend zum systematischeren Lernen entwickelt. Nachhaltige Bildung Nachhaltige Bildung bedeutet, dass Gelerntes dauerhaft verfügbar und auf neue Situationen übertragbar ist. Mithilfe des Gelernten kann das eigene Lernen reflektiert und neues Wissen erworben werden. Wichtige Faktoren hierfür sind Interesse, Motivation, Selbstbestimmung, Eigenaktivität und Ausdauer der Lernenden. Damit frühe Lernangebote einen positiven Einfluss auf Lern- und Entwicklungsprozesse haben, sind kognitive Herausforderungen auf einem angemessenen Anspruchsniveau notwendig, aber auch eine Atmosphäre der Wertschätzung und der Geborgenheit. Besonders gut gelingt dies, wenn Lernen und die Reflexion der eigenen Lernprozesse im Dialog mit anderen stattfinden. Die lernende Gemeinschaft von Kindern und Erwachsenen hat für nachhaltige Bildung einen besonderen Stellenwert.
XIX Leitlinien 3.2 Leitziele von Bildung und Erziehung – ein kompetenzorientierter Blick auf das Kind Oberstes Bildungs- und Erziehungsziel ist der eigenverantwortliche, beziehungs- und gemeinschaftsfähige, wertorientierte, weltoffene und schöpferische Mensch. Er ist fähig und bereit, in Familie, Staat und Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen, und offen für religiöse und weltanschauliche Fragen. Zentrale Aufgabe an allen Bildungsorten ist es, Kinder über den gesamten Bildungsverlauf hinweg in ihren Kompetenzen zu stärken. Die Akzentsetzung verändert sich entsprechend dem individuellen Entwicklungsverlauf sowie den Bedürfnissen und Ressourcen des Kindes. Von Geburt an bilden personale, kognitive, emotionale und soziale Basiskompetenzen die Grundlage für den weiteren Lern- und Entwicklungsprozess. Sie befähigen Kinder, mit anderen zu kooperieren und zu kommunizieren sowie sich mit der dinglichen Umwelt auseinanderzusetzen. Weiterhin sind sie Voraussetzung für den kompetenten Umgang mit Veränderungen und Belastungen sowie den Erwerb von lernmethodischer Kompetenz. Kompetenzen bedingen sich gegenseitig. Sie entwickeln sich weiter in Abhängigkeit voneinander und in der Auseinandersetzung mit konkreten Lerninhalten und Anforderungen. Mit fortschreitender Entwicklung und höherem Alter gewinnt Sachkompetenz, die auf bestimmte Inhaltsbereiche bezogen ist, an Bedeutung. Schulische Bildung knüpft an den Kompetenzen an, die in der frühen Bildung grundgelegt und entwickelt wurden. Es erfolgt eine systematische Erweiterung. 3.3 Bildung als individueller und sozialer Prozess Lernen in Interaktion, Kooperation und Kommunikation ist der Schlüssel für hohe Bildungsqualität. Zukunftsfähige Bildungskonzepte beruhen auf Lernformen, die auf den Erkenntnissen des sozialen Konstruktivismus basieren und das Von- und Miteinanderlernen (Ko-Konstruktion) in den Mittelpunkt stellen. Im Dialog mit anderen lernen Lernen ist ein Prozess der Verhaltensänderung und des Wissenserwerbs, bei dem der Mensch von Geburt an – auf der Basis seiner Erfahrungen, Kenntnisse und Kompetenzen – aktiver Konstrukteur seines Wissens ist. Kommunikation ist ein zentrales Element des Wissensaufbaus. Kinder konstruieren ihr Weltverständnis durch den Austausch mit anderen. In dieser Auseinandersetzung und Aushandlung konstruieren sie Bedeutung und Sinn und entwickeln ihr eigenes Weltbild. Mit zunehmendem Alter gewinnen hierfür neben den erwachsenen Bezugspersonen auch Gleichaltrige an Wichtigkeit. Bildung und Lernen finden somit im Rahmen kooperativer und kommunikativer Alltagshandlungen und Bildungsaktivitäten statt, an denen Kinder und Erwachsene gleichermaßen aktiv beteiligt sind. Im Vordergrund steht das gemeinsame Erforschen von Bedeutung, d. h. Sinnzusammenhänge zu entdecken, auszu
XX Leitlinien drücken und mit anderen zu teilen ebenso wie die Sichtweisen und Ideen der anderen anzuerkennen und wertzuschätzen. Die Steuerungsverantwortung für die Bildungsprozesse liegt bei den Erwachsenen. Partizipation als Kinderrecht Kinder haben – unabhängig von ihrem Alter – ein Recht auf Partizipation. Alle Bildungsorte stehen in der Verantwortung, der Partizipation der Kinder einen festen Platz einzuräumen und Demokratie mit Kindern zu leben. Partizipation bedeutet die Beteiligung an Entscheidungen, die das eigene Leben und das der Gemeinschaft betreffen, und damit Selbst- und Mitbestimmung, Eigen- und Mitverantwortung und konstruktive Konfliktlösung. Basierend auf dem Bild vom Kind als aktivem Mitgestalter seiner Bildung, sind Partizipation und Ko-Konstruktion auf Dialog, Kooperation, Aushandlung und Verständigung gerichtet. Partizipation ist Bestandteil ko-konstruktiver Bildungsprozesse und Voraussetzung für deren Gelingen. Erwachsene und ihr Umgang miteinander sind stets Vorbild und Anregung für die Kinder. Deshalb erfordert gelingende Partizipation der Kinder immer auch die Partizipation der Eltern und des Teams bzw. Kollegiums. Aus der Kultur des gemeinsamen Lernens und Entscheidens ergibt sich eine neue Rolle und Haltung des pädagogischen Personals. 3.4 Inklusion – Pädagogik der Vielfalt An Bildungsorten treffen sich Kinder, die sich in vielen Aspekten unterscheiden, z. B. im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Stärken und Interessen, Lern- und Entwicklungstempo, spezifischen Lern- und Unterstützungsbedarf sowie ihren kulturellen oder sozioökonomischen Hintergrund. Inklusion als gesellschafts-, sozial- und bildungspolitische Leitidee lehnt Segregation anhand bestimmter Merkmale ab. Sie zielt auf eine Lebenswelt ohne Ausgrenzung und begreift Diversität bzw. Heterogenität als Normalfall, Bereicherung und Bildungschance. Für Kinder mit Behinderungen betont sie das Recht auf gemeinsame Bildung; bei der Entscheidung über den Bildungsort, die in Verantwortung der Eltern liegt, steht das Wohl des Kindes im Vordergrund. Eine an den individuellen Bedürfnissen ausgerichtete Bildungsbegleitung, die sich durch multiprofessionelle Teams und multiprofessionelles Zusammenwirken verschiedener Bildungseinrichtungen realisiert, sichert Bildungsgerechtigkeit. Auch Differenzierungsangebote und der bewusste Wechsel zwischen heterogenen und homogenen Gruppen tragen dazu bei. Partizipation und Ko-Konstruktion bieten einen optimalen Rahmen, in dem sich die Potenziale einer heterogenen Lerngruppe entfalten können.
XXI Leitlinien 4. Organisation und Moderierung von Bildungsprozessen Damit Prozesse der Ko-Konstruktion, Partizipation und Inklusion gelingen, ist die Haltung entscheidend, die dem Handeln der Pädagoginnen und Pädagogen zugrunde liegt. Diese Haltung basiert auf Prinzipien wie Wertschätzung, Kompetenzorientierung, Dialog, Partizipation, Experimentierfreudigkeit, Fehlerfreundlichkeit, Flexibilität und Selbstreflexion. Zentrale Aufgaben der Pädagoginnen und Pädagogen sind die Planung und Gestaltung optimaler Bedingungen für Bildungsprozesse, die eigenaktives, individuelles und kooperatives Lernen nachhaltig ermöglichen. Dies erfordert eine stete Anpassung der Lernumgebungen, die individuelle Kompetenzentwicklung im Rahmen der heterogenen Lerngruppe zulassen. Im pädagogischen Alltag wird dies anhand einer Methodik umgesetzt, bei der kommunikative Prozesse sowie vielfältige Formen der inneren Differenzierung und Öffnung im Vordergrund stehen. Für die Organisation von Lernumgebungen (äußere Bedingungen, Lernmaterialien und ‑aufgaben, Sozial- und Arbeitsformen) sind eine konsequente Orientierung an den Kompetenzen der Kinder und deren aktive Beteiligung notwendig. Das Interesse der Kinder ist Ausgangspunkt der Bildungsaktivitäten. Wichtige Prinzipien einer kompetenzorientierten Bildungs- und Unterrichtsgestaltung sind die Vernetzung von Einzelinhalten, ihre Einbettung in größere Zusammenhänge (bereichsübergreifendes bzw. fächerverbindendes Lernen), Anwendungssituationen für erworbene Kompetenzen in verschiedenen Bereichen und die Reflexion des eigenen Lernens. Um den komplexen Anforderungen bei der Organisation, Planung und Dokumentation adaptiver Lernangebote und ‑umgebungen gerecht werden zu können, sind sachbezogene, didaktisch-methodische, pädagogische, personalsoziale und reflexive Kompetenz sowie kollegiale Unterstützung und politisch-gesellschaftliche Wertschätzung unabdingbar. Grundlage für eine stärkenorientierte und prozessbegleitende Rückmeldung an die Lernenden in allen Bildungsinstitutionen sind die systematische Beobachtung und die Dokumentation der kindlichen Lern- und Entwicklungsprozesse. In der Schule haben Lehrerinnen und Lehrer zudem die Aufgabe, Ergebnisse von Lernprozessen zu überprüfen und zu bewerten sowie ihre gesamte Arbeit an Bildungsstandards und festgelegten Kompetenzerwartungen zu orientieren. Notwendig ist der Einsatz verschiedener Verfahren und Instrumente. Viel Einblick in die Interessen, Kenntnisse und Fähigkeiten der Kinder geben Portfolios. Sie dienen den Kindern zur Reflexion ihrer Lernprozesse und den Pädagoginnen und Pädagogen als Grundlage für die weitere Planung sowie den Austausch mit Eltern und anderen Bildungsorten.
XXII Leitlinien 5. Die Bildungsbereiche Kompetenzentwicklung und Wissenserwerb gehen Hand in Hand. Kinder lernen, denken, erleben und erfahren die Welt nicht in Fächern oder Lernprogrammen. Ihre Kompetenzen entwickeln sie nicht isoliert, sondern stets in der Auseinandersetzung mit konkreten Situationen und bedeutsamen Themen und im sozialen Austausch. Kompetenzorientiert und bereichsübergreifend angelegte Bildungsprozesse, die Kinder aktiv mitgestalten, fordern und stärken sie in all ihren Kompetenzen. Dem Bildungsbereich Sprache und Literacy kommt für die Persönlichkeitsentwicklung, den Schulerfolg, den kompetenten Medienumgang und die Teilhabe am Gesellschaftsleben zentrale Bedeutung zu. 6. Kooperation und Vernetzung der Bildungsorte 6.1 Pluralität der Bildungsorte Kinder erwerben Kompetenzen an vielen verschiedenen Bildungsorten. Ihre Bildung beginnt in der Familie und ist im Lebenslauf das Ergebnis eines vielfältigen Zusammenwirkens aller Bildungsorte, deren Kooperation und Vernetzung zentrale Bedeutung zukommt. Wie Bildungsangebote genutzt werden und in welchem Maße Kinder von den Bildungsleistungen dort profitieren, hängt maßgeblich von den Ressourcen der Familien und deren Stärkung ab. Die Familie ist für Kinder der wichtigste und einflussreichste Bildungsort. 6.2 Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern Als Mitgestalter der Bildung ihres Kindes und als Experten für ihr Kind sind Eltern die wichtigsten Gesprächspartner – gute Elternkooperation und -beteiligung ist daher ein Kernthema für alle außerfamiliären Bildungsorte und gesetzliche Verpflichtung für Kindertageseinrichtungen, Tagespflege und Schulen. Das Konzept der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft entwickelt bestehende Konzepte der Elternarbeit weiter. Es fokussiert die gemeinsame Verantwortung für das Kind und sieht eine veränderte Mitwirkungs- und Kommunikationsqualität vor. Zu den familien- und einrichtungsunterstützenden Zielen zählen die Begleitung von Übergängen, Information und Austausch, Stärkung der Elternkompetenz, Beratung und Fachdienstvermittlung sowie Mitarbeit und Partizipation der Eltern. Zu den Gelingensfaktoren für eine solche Partnerschaft zählen eine wertschätzende Haltung gegenüber den Eltern, die Anerkennung der Vielfalt von Familien, Transparenz sowie Informations- und Unterstützungsangebote.
XXIII Leitlinien 6.3 Kooperation der Bildungseinrichtungen und Tagespflegepersonen Die Kooperation von Bildungseinrichtungen und Tagespflegepersonen ist landesgesetzlich verankert und für Kindergarten und Grundschule detailliert geregelt. Das Kooperationsgeschehen ist komplex und umfasst verschiedene Aufgaben und Formen. Dazu zählen gegenseitiges Kennenlernen und Einblickgewähren, Kooperationsabsprachen für gemeinsame Aufgaben, Konzeptentwicklung für die gemeinsame Übergangsbegleitung mit den Eltern, die Herstellung anschlussfähiger Bildungsprozesse, die Planung und Durchführung gemeinsamer Angebote für Kinder, Eltern und Familien sowie der Austausch über einzelne Kinder unter Beachtung des Datenschutzes. 6.4 Öffnung der Bildungseinrichtungen nach außen Bildungseinrichtungen haben den gesamten Lebensraum der Kinder im Blick, nutzen Beteiligungsmöglichkeiten aktiv und öffnen sich für Impulse aus dem Umfeld. Mögliche Kooperationen mit externen Institutionen und Personen umfassen Angebote für Kinder (z. B. Besuche, Einbeziehung in aktuelle Projekte) wie auch für Eltern und Familien. Es entsteht eine stärkere Verbindung der Bildungseinrichtungen mit dem Gemeindeleben und der Arbeitswelt. Von der Öffnung profitieren nicht nur die Kinder (z. B. durch die Ausweitung ihrer Lernumgebung und die Bereicherung ihrer Bildungserfahrungen), sondern auch Eltern und das pädagogische Personal (z. B. durch neue Informationsquellen und Möglichkeiten des Fachdialogs sowie der Fortbildung). 6.5 Gestaltung der Übergänge im Bildungsverlauf Im Bildungssystem finden immer wieder Übergänge zwischen den Bildungsorten statt. Von den Kompetenzen, die Kinder bei gelingenden Übergängen erwerben, profitieren sie bei allen weiteren Übergängen. Erfolgreiche Übergänge (auch in weiterführende Schulen) sind ein Prozess, der von allen Beteiligten gemeinsam gestaltet und vom Kind und den Eltern aktiv und im eigenen Tempo bewältigt wird. Die Institutionen bieten vielfältige Informations- und Gesprächsmöglichkeiten an, da Übergänge wie der Schuleintritt auch für Eltern oft mit Herausforderungen und Informationsbedarf verbunden sind. Beim Übertritt in die Grundschule kommt es nicht nur auf den Entwicklungsstand des Kindes, sondern auch darauf an, dass die Schule auf die individuellen Kompetenzen und Lernbedürfnisse der Kinder eingeht, um einen erfolgreichen Anfang zu ermöglichen. 6.6 Soziale Netzwerkarbeit bei Kindeswohlgefährdung Zu den Aufgaben außerfamiliärer Bildungsorte zählen auch die Sorge um jene Kinder, deren Wohlergehen gefährdet ist, sowie deren Schutz vor weiteren Gefährdungen. Ein gutes Netzwerk der mit Kindeswohlgefährdung befassten Stellen vor Ort trägt zur Prävention, Früherkennung und Unterstützung in konkreten Fällen bei.
XXIV Leitlinien 6.7 Kommunale Bildungslandschaften Die Umsetzungschancen der Leitlinien in allen Bildungsorten steigen in dem Maße, in dem es gelingt, Bildungsfragen zum Schwerpunktthema der Kommunalpolitik zu machen. Kommunale Bildungslandschaften bündeln und vernetzen die Bildungsangebote vor Ort und liefern einen Rahmen für deren Weiterentwicklung. Sie verstehen sich als lernende Region. Kommunale Innovationsprozesse werden in gemeinsamer Verantwortung ressort- und institutionenübergreifend geplant und gestaltet, möglichst alle bildungsrelevanten Einrichtungen und Bürgerinnen und Bürger einbezogen und innovative Kooperationsformen und Handlungskonzepte für lebenslanges Lernen und Bildungsgerechtigkeit entwickelt. Positive Kooperationserfahrungen schaffen Netzwerkidentität und sorgen dafür, dass Veränderungsprozesse von allen mitgetragen werden. 7. Qualitätsentwicklung in Bildungseinrichtungen Die Anforderungen an ein Bildungssystem unterliegen aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen einem fortlaufenden Wandel. Die aktuelle Praxis und neue Entwicklungen werden reflektiert und so eine Balance zwischen Kontinuität und Innovation gefunden. Daraus resultiert das Selbstverständnis von Bildungseinrichtungen als lernende Organisationen. 7.1 Team als lernende Gemeinschaft Als lernende Organisationen schaffen Bildungseinrichtungen den Transfer von neuem Wissen in die gesamte Organisation und sind daher fähig, auf neue Herausforderungen angemessen zu reagieren und gemeinsam aus ihnen zu lernen. Gelingende Teamarbeit ist maßgeblich für die Qualitätsentwicklung der Prozesse und Ergebnisse in Bildungseinrichtungen. Erforderlich ist die Kompetenz, in Arbeitsgruppen gemeinsam zu planen und zu handeln sowie diese Prozesse zu reflektieren. Teamlernen erfordert Übung und stellt kein punktuelles Vorhaben dar, sondern erfordert den konsequenten Dialog mit Kolleginnen und Kollegen sowie die gemeinsame Verantwortung aller für die gesteckten Ziele und die Festlegung von Strategien und Regeln innerhalb einer zeitlichen und organisatorischen Struktur. 7.2 Schlüsselrolle der Leitung Leitungskräften in Bildungseinrichtungen kommt eine zentrale Rolle zu. Sie initiieren Lernprozesse, sie etablieren und unterstützen kontinuierliche Reflexion und Rückmeldung und suchen den Dialog mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zentrale Anliegen sind die Entwicklung eines gemeinsamen Qualitätsverständnisses, die Einbindung des gesamten Teams oder Kollegiums in den Qualitätsentwicklungsprozess und unterstützende Strukturen für den Austausch und die Beratung. Diese Leitungsaufgaben erfordern spezifi
XXV Leitlinien sche Vorbereitung, stete Weiterqualifizierung und Angebote kollegialer Beratung und Supervision. 7.3 Evaluation als qualitätsentwickelnde Maßnahme Lernende Organisationen nutzen Evaluationsverfahren zur Bestandsaufnahme, Zielbestimmung und Ergebnisüberprüfung. Qualitätsentwicklungsprozesse können angestoßen, geplant und reflektiert werden durch interne und externe Evaluation, die Bildungseinrichtungen Anregung zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Prozesse und Ergebnisse gibt. 7.4 Aus-, Fort- und Weiterbildung Alle beteiligten Institutionen verbindet die Aufgabe, das gemeinsame inklusive, ko-konstruktive und partizipative Bildungsverständnis der Leitlinien als herausragenden Inhalt und zentrales Gestaltungsprinzip in die Aus-, Fort- und Weiterbildung einzubeziehen. Ein professioneller Umgang mit der Heterogenität von Gruppen und der Ausbau institutionenübergreifender Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen tragen zur Realisierung der Leitlinien in der Praxis bei. 8. Bildung als lebenslanger Prozess In einer Wissensgesellschaft ist Bildung von zentraler Bedeutung, Kompetenzentwicklung ein lebenslanger Prozess. Damit dies gelingt, ist es Aufgabe aller Bildungsorte, in allen Lebensphasen und ‑bereichen individuelles Lernen anzuregen und so zu unterstützen, dass es lebenslang selbstverständlich wird. Die Grundlagen dafür werden in der Kindheit gelegt. Die Broschüre mit der Kurz- und Langfassung der Bildungsleitlinien ist zu finden unter: https://link.kita.bayern/PDF-BayBL
Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen
Grundlagen und Einführung 1. 2. 3. Notwendigkeit eines Bildungs- und Erziehungsplans für Kindertageseinrichtungen Menschenbild und Prinzipien, die dem Bildungs- und Erziehungsplan zugrunde liegen Charakteristika des Bildungs- und Erziehungsplans
Teil 1 Seite 4 Seite 10 Seite 26
1 1.1 Gesellschaftliche Veränderungen . . . . 5 1.2 Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse.. . . . . . . . . . . 7 1.3 N eue Entwicklungen im Elementar- bereich. . . . . . . . . . . . . . 8 Notwendigkeit eines Bildungs- und Erziehungsplans für Kindertageseinrichtungen
1 1.1 Gesellschaftliche Veränderungen 5 Kinder haben ein Recht auf Bildung. Dieses Recht wird nicht erst mit Schuleintritt wirksam, sondern bereits mit Geburt, denn Kinder lernen von Geburt an. Seit Beginn der 1990er-Jahre stehen international die Lernprozesse in früher Kindheit und damit die frühe Bildung im Blickpunkt der Bildungspolitik. Gesellschaftliche Veränderungen, neue Forschungsbefunde, nationale und internationale Bildungsstudien (Delphi-Befragungen über Potenziale und Dimensionen der Wissensgesellschaft; internationale Schülerleistungsvergleiche wie PISA, IGLU; OECD-Studien: Starting Strong, Bildung auf einen Blick), die Kinderrechtsbewegung, die seit Verabschieden der UN-Kinderrechtskonvention im Jahr 1989 weltweit Verbreitung findet, sowie international herausragende Reformen im Elementarbereich haben Diskussionen auf zwei Ebenen ausgelöst. Auf politischer Ebene geht es um den Stellenwert früher Bildung im Bildungssystem und die Ordnung des Bildungsverlaufs, auf fachlicher Ebene um die (Neu-)Konzeption von Bildungsprozessen bei Erweiterung der Themenschwerpunkte und (Neu-)Konzeption von Übergängen. Bildung von Anfang an ist im Interesse der Kinder, aber auch der Gesellschaft. Bildung ist der Schlüssel zum Lebenserfolg. Von ihr hängen die Zukunftschancen des Landes ab. Tiefgreifende gesellschaftliche und familiäre Veränderungen und daraus resultierende Herausforderungen werfen die Frage nach neuen, zukunftsweisenden Bildungskonzepten grundsätzlich und für alle Bildungsbereiche geltend auf. Gesellschaftlicher Wandel. Die Welt, auf die hin wir unsere Kinder bilden und erziehen, unterliegt einem permanenten Wandel. Dieser ist aktuell weit mehr als nur ein Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft. Er betrifft die Art und Weise, wie wir unsere Welt wahrnehmen und interpretieren. Kinder wachsen heute in einer kulturell vielfältigen, sozial komplexen und hoch technisierten Welt auf, die beschleunigten Wandel aufweist. Demografischer Wandel. Geburtenrückgang und Überalterung der Gesellschaft sind eine fortschreitende Entwicklung in vielen Staaten der westlichen Welt. Sie verändern das Geschlechter- und Generationenverhältnis. Sie fordern auch die Bildungssysteme heraus, die Begegnung, den Dialog und das 1.1 Gesellschaftliche Veränderungen
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