Bildungsqualität für Kinder in den ersten drei Jahren

Coverbild - Bildungsqualität für Kinder in den ersten drei Jahren

Herausgegeben von Fabienne Becker-Stoll, Julia Berkic und Bernhard Kalicki

Der Ausbau der Betreuungsplätze für Unter-Dreijährige ist in vollem Gange. Bis zum Jahr 2013 wird es bundesweit im Durchschnitt für jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz geben. Zur selben Zeit erhält jedes Kind mit Vollendung des ersten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder in der Tagespflege. Damit stehen jedoch eher quantitative, denn qualitative Aspekte im Vordergrund, obgleich in ersten Lebensjahren die Basis für eine gesunde Entwicklung und erfolgreiche Bildung gelegt wird. Während zahlreiche Belege für die enormen Lernpotentiale von Kindern unter 3 Jahren vorliegen, fehlen bislang überzeugende Handlungskonzepte zur Bildung in den ersten Lebensjahren. Dieser Band beleuchtet die Bildungsqualität für Kinder unter drei Jahren aus wissenschaftlicher, politischer und praktischer Perspektive ebenso wie die Konsequenzen für die Aus- und Weiterbildung.

Der erste Teil des Buches gibt einen Überblick über den Stand der nationalen und internationalen Forschung. Dargestellt werden zentrale Ergebnisse der entwicklungspsychologischen Forschung sowie der Sozial- und Bildungsberichterstattung, ergänzt um die zentralen Befunde der amerikanischen NICHD- Early Child Care Study und der Begleitforschung zu den Early Excellence Centres in Großbritannien.

Im einführenden Kapitel stellt Fabienne Becker-Stoll die Notwendigkeit frühkindlicher Bildungsqualität aus entwicklungspsychologischer Perspektive dar und leitet daraus die Anforderungen an die Erzieherin-Kind-Beziehung ab. Die Beziehungsqualität zwischen der pädagogischen Fachkraft und dem Kind ist in den ersten Lebensjahren das wichtigste Qualitätsmerkmal außerfamiliärer Betreuung. Internationale und nationale ökonomische Studien zeigen, dass sich Investitionen in frühkindliche Bildung auch volkswirtschaftlich lohnen.

Hans Bertram stellt im ersten Kapitel die Situation von Familien mit Kindern unter drei Jahren in Deutschland dar. Durch die ständig steigenden Anforderungen an Mobilität und Flexibilität in der Arbeitswelt wird es für berufstätige Eltern immer schwieriger, der Fürsorge ihren Kindern gegenüber gerecht zu werden. Väter und Mütter dürfen beim Ringen um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht alleine gelassen werden – diese Aufgabe muss gesamtgesellschaftlich angegangen werden.

Im zweiten Kapitel zur frühkindlichen Bildungsentwicklung zeigt Liselotte Ahnert die Grenzen der Förderung und die Bedeutung unterstützender Beziehungserfahrungen für die weitere Bildungsentwicklung, wie z.B. die Lernmotivation und Anstrengungsbereitschaft in der Schule, dar. Frühkindliche Bildung ist ein sozialer Prozess und die Qualität der frühen Beziehungserfahrungen wirkt sich auf die weitere Bindungsentwicklung aus.

Das vierte Kapitel von Bernhard Nagel stellt die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern unter 3 Jahren im Spiegel der Statistik dar. Dieser Beitrag greift die neuesten Entwicklungen der Inanspruchnahme außerfamiliärer Betreuung in den ersten drei Lebensjahren auf und differenziert nicht nur nach soziodemografischen Daten der Kinder sondern auch nach Art der Kindertageseinrichtung. Diese verschiedenen Aspekte werden mit der Qualität der frühkindlichen Bildung in Zusammenhang gebracht.

Jay Belsky beschreibt im fünften Kapitel die Schlüsselergebnisse der NICHD-Studie über die Auswirkungen früher Tagesbetreuung bis ins Jugendalter. Hohe Qualität in Kindertageseinrichtung steht in Zusammenhang mit der kognitiv-sprachlichen Entwicklung und schulischen Leistung der Kinder im Alter von 2, 4 und 15 Jahren. Allerdings erwies sich die Qualität nicht als Prädiktor für die sozio-emotionale Entwicklung der Kinder.

Im sechsten Kapitel beschreibt Edward Melhuish wie sich über die wissenschaftliche Erforschung frühpädagogischer Programme für sozial benachteiligte Kinder und Familien in England eine Politik gezielter Investitionen in die Qualität von Kinder- und Familienzentren entwickelt hat. Darüber hinaus werden die Ergebnisse der EPPE-Studie über das Zusammenwirken frühpädagogischer Bildungsqualität und effektiver Bildung in Grundschulen vorgestellt.

Im zweiten Teil werden Fragen der Qualifizierung für die pädagogische Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren behandelt. Dabei finden die beiden Betreuungssettings der Familie und der Tageseinrichtung ebenso Berücksichtigung wie die verschiedenen Ausbildungsgänge an Fach- und Hochschulen.

Renate Niesel stellt im siebten Kapitel dar, wie aus dem englischen Rahmenwerk „Birth to three matters“ das Medienpaket „Wach, neugierig, klug – Kinder unter 3“ und das Fortbildungshandbuch „Wach, neugierig, klug – Kompetente Erwachsene für Kinder 3“ entwickelt wurden und in die frühpädagogische Praxis sowie in die Fort- Aus- und Weiterbildung Eingang gefunden haben.

Im achten Kapitel beschreiben Karin Jurczyk und Astrid Kerl-Wienecke die aktuelle Sitation der Qualität und Qualifizierung in der Kindertagespflege. Auch wenn die meisten Eltern, die eine Kindertagespflege für ihr Kind zufrieden sind, fehlt ein verbindlicher Qualifikationsrahmen für Tageseltern ebenso wie eine fortlaufende Weiterqualifizierung.

Klaus Fröhlich-Gildhoff und Susanne Viernickel beschäftigen sich im neunten Kapitel mit der Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern unter drei Jahren in der Erzieherinnenausbildung und in den neuen frühpädagogischen Studiengängen. Ihren Analysen zufolge findet die frühkindliche Bildung in der Ausbildung und im Studium wenn überhaupt nur ein kursorisch statt – und das bei einem steigenden Bedarf an Fachkräften für Kinder unter drei Jahren.
Der dritte Teil versammelt Beiträge zur praktischen Umsetzung frühpädagogischer Erkenntnisse und nimmt dabei die Themen wie Altersmischung, Eingewöhnung, frühkindliche Bildung, Spracherwerb und elterliche Erziehungskompetenz in den Blick.

Im 10. Kapitel stellt Petra Völkel die wissenschaftlichen Grundlagen der erweiterten Altersmischung vor. Renate Niesel und Monika Wertfein zeigen im dazugehörigen 11. Kapitel, wie die erweiterte Altersmischung in der frühpädagogischen Praxis gelingen kann, und was dabei berücksichtigt werden muss.

Wilfried Datler, Nina Hover-Reisner und Maria Fürstaller beschreiben im 12. Kapitel „zur Qualität von Eingewöhnung als Thema der Transitionsforschung“ die theoretischen Grundlagen und forschungsmethodischen Gesichtspukte der Übergänge in die außerfamiliäre Betreuung und beziehen sich dabei auf die Wiener Krippenstudie. Wilfried Griebel stellt gemeinsam mit Renate Hartmann und Patrizia Thomsen im 13. Kapitel die Gelingende Praxis der Eingewöhnung in die Kinderkrippe anhand einer Kinderkrippe in München dar. Dabei wird deutlich, dass die Eingewöhnung des Kindes auch für die Eltern eine Entwicklungsaufgabe darstellt.

Während Susanne Viernickel in ihrem Beitrag (Kapitel 14) der Frage nachgeht, was Bildung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren aus wissenschaftlicher Sicht darstellt, beschreiben Eva Reichert-Garschhammer, Annelise Gräser und Edeltraud Prokop die Umsetzung in die Praxis (Kap. 15). Sie betonen dabei, dass Kindergartenpädagogik nicht auf Krippenpädagogik übertragbar ist und dass für Kinder unter drei Jahren andere Konzepte und Rahmenbedingungen der Bildungsbegleitung notwendig sind.
Barbara Gasteiger Klicpera beschreibt in Kapitel 16 die wissenschaftlichen Grundlagen des Spracherwerbs in der frühen Kindheit. Christa Kieferle erklärt die gelungene Erzieher-Kind-Interkation zur Grundvoraussetzung für sprachliche Bildung und für die Literacyerziehung in der frühpädagogischen Praxis (Kap. 17).

Schließlich stellt Monika Wertfein im 18. Kapitel die theoretischen Grundlagen Stärkung der Elternkompetenz durch Erziehungs- und Bildungspartnerschaft von Eltern und Kindertageseinrichtung vor und Johanna Graf und Sabine Walper beschreiben wie die Stärkung der Erziehungskompetenz von Eltern und pädagogischen Fachkräften in der Praxis gelingen kann (Kapitel 19).

Das Ausblickskapitel von Bernhard Kalicki und Julia Berkic rundet das Buch ab. Es greift die verschiedenen Perspektiven von Wissenschaft, Politik und Praxis auf und bündelt die offenen Fragen und aktuellen Herausforderungen, die nicht zuletzt durch den dynamischen Ausbau der Plätze für Kinder für Kinder unter drei Jahren, anstehen.

Fabienne Becker-Stoll/Julia Berkic, Bernhard Kalicki (2010). Bildungsqualität für Kinder in den ersten drei Jahren. Berlin, Düsseldorf, Mannheim: Cornelsen Scriptor.
272 Seiten, ISBN: 978-3-589-24682, 21,95 EUR