Inklusion vor Ort (IVO): Studie zur Umsetzung von Inklusion als gemeinsame Aufgabe von Kindertageseinrichtungen und Frühförderung in Bayern

Die IVO-Studie untersuchte die Rahmenbedingungen von Inklusion als gemeinsamer Aufgabe von Kindertageseinrichtungen und unterstützenden Strukturen in Bayern. Dabei standen insbesondere die Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen mit den Interdisziplinären Frühförderstellen (im Hinblick auf Kinder mit Behinderung) und den mobilen Heilpädagogischen Fachdiensten (im Hinblick auf Kinder mit Entwicklungsgefährdung, sog. „Risikokinder“) im Fokus.

Ziel des Projektes war es, bewährte Strukturen und Konzepte von Kooperation im inklusiven Kontext als Anregung für alle Einrichtungen bekannt zu machen und gleichzeitig Motivationen und Hindernisse auf dem Weg zur Inklusion genauer zu beleuchten. Auf dieser empirischen Grundlage wurden Handlungsempfehlungen für die pädagogische Praxis, Fachberatung, Frühförderung, für Träger und Politik formuliert und interdisziplinär diskutiert.

Anlass

Begleitung der Umsetzung von Inklusion in bayerischen Kindertageseinrichtungen

Ziel

Im Zentrum der IVO-Studie stehen folgende Fragen:

Was sind Gelingensbedingungen und wo liegen Hindernisse und Unterstützungsbedarfe auf dem Weg zur Inklusion?
Welche Bedeutung hat die interdisziplinäre Vernetzung für die Umsetzung von Inklusion in Kindertageseinrichtungen?
Wie gelingt die Kooperation der Kindertageseinrichtungen in Bayern insbesondere mit

den Interdisziplinären Frühförderstellen (IFF) und
den Mobilen Heilpädagogischen Fachdiensten (mHFD)?

Methodisches Vorgehen

Drei Online-Befragungen zum Kita-Jahr 2015/16:

  • Kindertageseinrichtungen in Bayern (Kitas, N = 2.823)
  • Mobile Heilpädagogischen Fachdienste (mHFD, N = 15)
  • Interdisziplinäre Frühförderstellen (IFF, N = 103)

Telefoninterviews mit den mobilen Heilpädagogischen Fachdienste (N = 15)

Ergebnisse

Aus den Ergebnissen der IVO-Studie wird deutlich, dass Kindertageseinrichtungen in Bayern auf ihrem Weg zu inklusiven Bildungseinrichtungen die vertrauensvolle Zusammenarbeit und fachspezifische Unterstützung durch externe Netzwerkpartner benötigen, um allen Kindern eine qualitativ hochwertige und individuell passgenaue Bildung, Erziehung und Betreuung anbieten zu können. Nachstehend sind zentrale Handlungsbedarfe, besondere Herausforderungen sowie Lösungsvorschläge aus der IVO-Studie zusammengefasst:

Bestehender Informations- und Unterstützungsbedarf bezüglich der Beantragung finanzieller Leistungen seitens der Kitas:

  • Unterstützungsbedarf bei bzw. Vereinfachung der Beantragung zusätzlicher finanzieller Mittel (insbesondere „Faktor 4,5+X“ und Eingliederungshilfen)
  • Unklare Ansprechpartner und Zuständigkeiten bei der Beantragung
  • Einheitliche und transparente Regelungen für die Entscheidungen über Gewährung der zusätzlichen Leistungen werden (insbesondere bezüglich „Faktor 4,5+X“ und Eingliederungshilfen) vermisst (große regionale Unterschiede auf Bezirksebene)
  • Es werden mehr und übersichtliche Informationen gewünscht (große regionale Unterschiede auf Bezirksebene)

Bedarf multiprofessioneller Expertise:

Zur Umsetzung guter inklusiver Arbeit brauchen die Kitas Expertise im Bereich Inklusion durch Vernetzung oder Expertenwissen im Team, z.B.:

  • Fest angestelltes spezifisch qualifiziertes Personal (z.B. Heilpädagogin) im Kita-Team
  • Externe ExpertInnen (z.B. IFF, mHFD oder niedergelassene TherapeutInnen), die in die Kita kommen und das Kita-Team beraten bzw. im Kita-Alltag mit den Kindern arbeiten und spezifisches Wissen bzw. Informationen, z.B. zu bestimmten Behinderungsarten, weitergeben
  • Spezifische, (möglichst kostenfreie) (Team-)Fort- und Weiterbildungen
  • Entwicklung und Umsetzung gemeinsamer Inklusions- und Förderangebote vor Ort (z.B. Arbeitskreise, Elternabende)

Strukturelle Barrieren für die Vernetzung (zeitliche, finanzielle, räumliche Ressourcen):

Die Expert*innen aus der Frühförderung verfügen größtenteils nicht über ein ausreichendes, finanziell geregeltes Zeitkontingent für Netzwerkarbeit mit Kitas. Auch die Kitas haben hierfür zu wenig personelle und zeitliche Ressourcen.
In den Kindertageseinrichtungen fehlen oftmals Räumlichkeiten, um z.B. Gespräche mit Vernetzungspartnern, Team und Eltern zu führen.
Ein (staatlich finanzierter) mobiler Heilpädagogischer Fachdienst steht derzeit nicht allen Bezirken in Bayern zur Verfügung und führt zu einer regionalen Benachteiligung von Kindertageseinrichtungen und Familien hinsichtlich Inklusion.

 

Schlussfolgerungen

Um dem Beratungs- und Unterstützungsbedarf von Kindertageseinrichtungen bei der Betreuung von Kindern mit (drohender) Behinderung gerecht werden zu können, brauchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von interdisziplinären Frühförderstellen ein festes, (auch innerhalb der Behandlungseinheiten) rückfinanziertes und ausreichendes Zeitkontingent für Netzwerkarbeit.
Damit räumliche Barrieren der Netzwerkarbeit nicht entgegenstehen, sollte künftig beim Bau und Umbau von Kindertageseinrichtungen sowie deren Finanzierung bedacht werden, dass flexibel nutzbare, aber bei Bedarf verfügbare und dann störungsfreie Räumlichkeiten in den Einrichtungen für Gespräche und Therapieangebote in der Kita benötigt werden.

Um bestehende regionale Versorgungslücken zu füllen und in Zukunft alle Kindertageseinrichtungen in Bayern durch den mHFD passgenau bereits bei Fragen der Betreuung von Risikokindern und damit frühzeitig auf dem Weg zur Inklusion begleiten zu können, empfiehlt sich der Ausbau und die Verstetigung der mHFD auf ganz Bayern. Zudem ist es wichtig, die Zuständigkeiten verschiedener Unterstützungspartner und ihre spezifische Expertise für die Kitas transparent zu machen (z.B. Flyer oder Grafik mit Hauptakteuren) und – wo sinnvoll – Zuständigkeiten zu bündeln, um die ohnehin begrenzten zeitlichen Ressourcen der Kitas für Netzwerkarbeit effektiver nutzen zu können.

 


Weitere Ergebnisse der IVO-Studie können im Kita-Ergebnisbericht und im Vernetzungsbericht des IFP nachgelesen werden:

Ergebnisbericht der Kita-Befragung

IVO-Vernetzungsbericht

Veröffentlichungen

2023
Wölfl, J. (in Vorbereitung). Die Einstellung von Kita-Leitungskräften zu Inklusion (Dissertation).

2021
Kißgen, R., Wirts, C., Limburg, D., Wertfein, M., Franke, S., Wölfl, J. & Austermühle, J. (2021). Zur inklusiven Betreuung von Kindern mit (drohender) Behinderung in Kindertageseinrichtungen in Bayern und im Rheinland. Ein Studienvergleich. Frühförderung Interdisziplinär 21 (2), 64-77.

2019
Wertfein, M., Wirts, C. & Wölfl, J. (2019). Inklusive Qualität gemeinsam gestalten. KiTa aktuell Spezial "Qualität sichern", 20 (5), 190-191.

Wertfein, M., Wirts, C. & Wölfl, J. (2019). Rahmenbedingungen von Inklusion: IVO-Studie zur Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen und Frühförderung. In Becker-Stoll, F., Reichert-Garschhammer, E. & Broda-Kaschube, B. (Hrsg.). Pädagogische Qualität für Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf. Armut, Entwicklungsgefährdung und Fluchterfahrung im Blick (13-25). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Wirts, C., Wertfein, M. & Wildgruber, A. (2019). Inklusion vor Ort in der Schulkindbetreuung – Ergebnisse der IVO-Studie. I IFP-Infodienst, 24, 12-17. München: Staatsinstitut für Frühpädagogik.

2018
Wertfein, M. & Wirts, C. (2018). Inklusion vor Ort. Ausgewählte Ergebnisse aus dem Vernetzungsbericht. IFP-Infodienst, 23, 5-7.

Wertfein, M., Wirts, C. & Wölfl, J. (2018). Inklusion als gemeinsame Aufgabe von Kita und Vernetzungspartnern. Kita aktuell, 30 (3), 59-61.

Wirts, C., Wertfein, M. & Wölfl, J. (2018). IVO – Eine Studie zur Umsetzung von Inklusion als gemeinsame Aufgabe von Kindertageseinrichtungen und Frühförderung in Bayern. Vernetzungsbericht. IFP-Projektbericht 33/2018. München: Staatsinstitut für Frühpädagogik.

2017
Wölfl, J., Wertfein, M., & Wirts, C. (2017). IVO – Eine Studie zur Umsetzung von Inklusion als gemeinsame Aufgabe von Kindertageseinrichtungen und Frühförderung in Bayern. Kita-Ergebnisbericht. IFP-Projektbericht 20/2017. München: Staatsinstitut für Frühpädagogik.

2016
Wertfein, M. & Wirts, C. (2016). Inklusion als gemeinsame Aufgabe von Kindertageseinrichtung und Frühförderung. In B. Gebhard, A. Seidel, A. Sohns & S. Möller-Dreischer (Hrsg.), Frühförderung mittendrin - in Familie und Gesellschaft (S. 162–170). Stuttgart: Kohlhammer.

Vorträge

2021

  • Wirts, C.: Was brauchen Kitas für gute Inklusive Arbeit? Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der IVO-Studie. Vortrag auf dem FortSchritt Fachtag „Wie kann Inklusion in Zeiten von Personalmangel gelingen?“ am 14.07.2021 (online).
  • Wirts, C.: Inklusion vor Ort - Ergebnisse aus der IVO-Studie. Vortrag im Netzwerk besondere Kinder Regensburg am 15.06.21 (online).

2019

  • Wertfein, M.: Vorstellung der Ergebnisse der IVO-Studie beim Arbeitskreis Integration/Inklusion Bezirk Schwaben am 26.02.2019 in Augsburg.
  • Wertfein, M.: Vorstellung der Ergebnisse der IVO-Studie bei der ARGE Kindertagesein-richtungen der AWO am 03.04.2019 in München.
  • Wertfein, M.: Vorstellung der Ergebnisse der IVO-Studie bei der Abschlussveranstaltung zur Rheinland-Kita-Studie am 07.05.2019 in Köln.
  • Wertfein, M.: Vorstellung der Ergebnisse der IVO-Studie beim AK Kooperation Kita/Grundschule am 26.06.2019 in Erding.
  • Wertfein, M.: Vorstellung der Ergebnisse der IVO-Studie und des PQB-Qualitätskompasses bei der Klausur des Forum Fortbildung am 14.10.2019 in Beilngries.
  • Wertfein, M.: Von der Partizipation zur Inklusion. Fachtag für Krippenfachkräfte und Tagespflegepersonen am 9.11.2019 in Kooperation mit dem Landratsamt München.
  • Wertfein, M., Wildgruber, A., Fischer, S.: Inklusive Qualität in Kitas für Kinder ab 6 Jahren. IFP-Fachtag am13.11.2019 in München.
  • Wertfein, M.: Vorstellung der Ergebnisse der IVO-Studie bei der Träger-Leiterinnen-Konferenz der evang. Kindertageseinrichtungen am 26.11.2019 in Augsburg.
  • Wirts, C.: Gelingensbedingungen und Hindernisse in der Zusammenarbeit von Interdisziplinärer Frühförderung und Kindertageseinrichtungen – Ergebnisse der IVO-Studie. Vortrag auf dem 20. Symposion Frühförderung am 15.03.2019 in Leipzig.
  • Wirts, C.: Inklusion vor Ort - Ergebnisse aus der IVO-Studie zur Zusammenarbeit von Kitas, Frühförderung und heilpädagogischen Fachdiensten. Vortrag im Rahmend des Fachtags „Alle Kinder spielen mit? – Kooperation von Kitas und Frühförderstellen im Land Brandenburg“ am 23.03.2019 in Berlin.
  • Wirts, C.: Inklusion als gemeinsame Aufgabe von Kindertageseinrichtung und Frühförderung. Workshop im Rahmend des Fachtags „Alle Kinder spielen mit? – Kooperation von Kitas und Frühförderstellen im Land Brandenburg“ am 23.03.2019 in Berlin.
  • Wirts, C.: Unterstützungsstrukturen für die inklusive Kita - Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der Studie „IVO - Inklusion vor Ort“. Vortrag im Rahmen der Fachtagung zur feierlichen Eröffnung der wissenschaftlichen Einrichtung „Forschungs- und Lehrkindertagesstätte der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig“ am 13.09.2019 in Leipzig.

2018

  • Wertfein, M.: Von der Integration zur Inklusion – aber wie? Vortrag am 09.01.2018 an der VHS Ismaning.
  • Wertfein, M.: Von der Integration zur Inklusion - aber wie? Kolloquium am 18.01.2018 am IFP in München.
  • Wirts, C.: Inklusion als gemeinsame Aufgabe von Kindertageseinrichtung und Frühförderung. Vortrag im Rahmen der Fachtage für Kooperationsbeauftragte auf Schulamts- und Jugendamtsebene für Kindertageseinrichtungen - Grundschule an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung am 25.04.2018 in Dillingen.

2017

  • Wertfein, M.: Vorstellung der IVO-Ergebnisse auf dem Dialogtag Kita und Frühförderung der Caritas Behindertenhilfe am 09.05.17 in Nürnberg.
  • Wertfein, M.: Unterstützungsangebote und Vernetzungsmöglichkeiten bei der Aufnahme von Kindern mit Entwicklungsgefährdungen. Fachforum im Rahmen des 6. IFP-Fachkongresses „Pädagogische Qualität für Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf – Armut, Entwicklungsgefährdung und Fluchterfahrung im Blick“ am 28./29.6.2017 in München (mit F. Serafin).
  • Wertfein, M.: Vorstellung der IVO-Ergebnisse am 24.10.17 auf der Arbeitstagung der mobilen Heilpädagogischen Fachdienste in München. Kinder stärken durch Inklusion und Partizipation. Vortrag am 20.11.17 auf dem Kongress „Partizipation“ in Rosenheim.
  • Wertfein, M.: Inklusion in Kindertageseinrichtungen. Vortrag mit Kolloquium für Studierende der Fachhochschule Esslingen am 17.01.17 in München.
  • Wirts, C; Wölfl, J.; Wertfein, M.: Projekt „Inklusion vor Ort“. Deskriptive Ergebnisse der Kita-Onlinebefragung. Vortrag vor dem Bayerischen Landesbehindertenrat Bayern am 23.03.2017 in München.
  • Wirts, C; Wertfein, M.: Erste Ergebnisse der IFP-Studie „Inklusion vor Ort (IVO). Vortrag im Arbeitskreis UTB Frühförderung der Freien Wohlfahrtspflege am 04.07.2017 in München.


2016

  • Wertfein, M.; Wirts, C.: Projektvorstellung „Inklusion vor Ort“. Vortrag am 29.11.2016 zur Sitzung des Trägerbeirats des IFP in München.

2015

  • Wertfein, M.: Kinder stärken durch Inklusion und Partizipation! Workshop am14.01.2015 auf der BZgA-Regionalkonferenz in München.
  • Wertfein, M.; Wirts, C.: Inklusion als gemeinsame Aufgabe von Kindertageseinrichtung und Früh-förderung. Workshop 27.02.2015 auf dem 18. Symposion Frühförderung in Halle.
  • Lust und Mut zur Inklusion. IFP-Fachtagung am 16.04.2015 in München. Die frühe Tagesbetreuung in den ersten drei Lebensjahren – Unter welchen Voraussetzungen ist sie eine Chance? Vortrag am 28.04.2015 auf dem Jahrestreffen der Münchner Erziehungsberatungsstellen in München.
  • Inklusion geht nicht zum Nulltarif. Moderation der Expertenrunde am 22.10.2015 auf dem Consozial Kita-Kongress in Nürnberg.
Projektteam

Dr. Claudia Wirts, Dr. Monika Wertfein, Janina Wölfl

Ansprechpartner

Dr. Claudia Wirts

+49 89 99825-1963

Dr. Monika Wertfein

+49 89 99825-1946

Projektlaufzeit

2015 - 2018

Partner
Logo Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales

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