Evaluation von Modellversuchen Fokus Kooperation Schule – Jugendhilfe
Das Bayerische Familienministerium (StMAS) und das Bayerische Kultusministerium beauftragten das IFP bzw. das ISB mit der staatlichen Evaluation mehrerer Modellversuche, die im Kern auf eine vertiefte Kooperation von Grundschule und Jugendhilfe (auf Hortniveau) abzielen.
2013 bis 2015 wurden an 13 Standorten in Bayern Kooperationsmodelle zwischen gebundenen Ganztagsgrundschulen und Angeboten der Jugendhilfe, wie z.B. Horten und Tagesheimen, evaluiert. Untersucht wurden dabei Gelingensbedingungen der Kooperation, tragfähige Lösungen für den Ganztagsbetrieb, Bedingungen zur Erzielung eines Mehrwertes aus dieser Kooperation sowie Anforderungen für einen weiteren Ausbau derartiger Kooperationsprojekte.
Im Kita- bzw. Schuljahr 2015/2016 wurde außerdem die Einführung des offenen Ganztagsangebots als Kombi-Modell von Jugendhilfe und Schule (OGTS-Kombi) an den beteiligten sieben Standorten wissenschaftlich begleitet. Zu untersuchen war, wie die OGTS-Kombi umgesetzt wird, welche Erfahrungen gemacht werden und wie das Modell aus den Perspektiven aller Beteiligten bewertet wird.
Ergänzend hat das IFP gemeinsam mit dem ISB 2022 den Modellversuch Integrierte Ganztagsbildung an der Michael-Ende-Grundschule Nürnberg evaluiert. Dieses Modell einer intensiven Kooperation zeichnet sich durch verzahnte und aufeinander abgestimmte Arbeitsprozesse zwischen gebundener Ganztagsschule und Hort aus. In einem Stadtteil Nürnbergs gelegen, der besonders durch Herausforderungen im Hinblick auf geringe Wohnbindung, hohen Migrationsanteil und hohe ökonomische Belastung geprägt ist, strebt dieses Modell an, mehr Bildungsgerechtigkeit für die Kinder und Familien zu erreichen, die dieses Modell besuchen.
Die Ergebnisse wurden jeweils in Abschlussberichten an die beiden beauftragenden Ministerien dargelegt. Ein Teil der Berichte ist öffentlich zugänglich.
Zentrale Fragen der Evaluation der Kooperationsmodelle zwischen gebundenen Ganztagsgrundschulen und Angeboten der Jugendhilfe, wie z.B. Horten und Tagesheimen, waren:
- Was sind Gelingensbedingungen der Kooperation von gebundener Ganztagsgrundschule und Hort/Tagesheim?
- Wie führt diese Kooperation zu tragfähigen Lösungen für den Ganztagsbetrieb?
- Unter welchen Bedingungen wird ein Mehrwert für Jugendhilfe und Schule durch diese Kooperation erzeugt?
- Welche Anforderungen sind notwendig, um einen weiteren Ausbau derartiger Kooperationsprojekte voranzutreiben?
Die Evaluation der Einführung des OGTS-Kombi-Modells untersuchte, wie dieses an den beteiligten sieben Standorten umgesetzt wird, welche Erfahrungen dabei gemacht werden und wie das Modell aus den Perspektiven aller Beteiligten bewertet wird.
Die Evaluation des Modellversuchs Integrierte Ganztagsbildung Nürnberg zielte darauf ab, Erfahrungen mit dessen Umsetzung und vor allem Herausforderungen, Lösungen und Gelingensbedingungen zu zentralen Themen, vor allem zur multiprofessionellen Kooperation, zu erfassen.
Zur Evaluation der Kooperationsmodelle zwischen gebundenen Ganztagsgrundschulen und Angeboten der Jugendhilfe wurden leitfadengestützte Gruppeninterviews mit Schul- und Tagesheim- bzw. Hortleitungen, mit Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften sowie mit Eltern geführt.
Für die wissenschaftliche Begleitung der Einführung der OGTS-Kombi wurde eine Evaluation in Form einer einmaligen Online-Befragung der Schulleitungen, Leitungen und Träger der Nachmittagsangebote, Lehrkräfte, pädagogischen Fachkräfte und Erziehungsberechtigten gewählt. Im StMAS-Auftrag wurden darüber hinaus auch die Schulkinder und Kommunen zum Kombi-Modell befragt. Die Befragung der Schulkinder erfolgte in den beteiligten Tageseinrichtungen tabletgestützt.
Bei der Evaluation der Integrierten Ganztagsbildung an der Michael-Ende-Grundschule Nürnberg wurden einmalige Online-Fragebogenerhebungen mit den Leitungen von Schule und Jugendhilfe (Hort) sowie den Erziehungsberechtigten durchgeführt. Ergänzt wurde dies um zwei Gruppeninterviews, eines mit den Leitungskräften von Schule und Jugendhilfe, ein zweites mit einem Fachkraft-Lehrkraft-Tandem.
Kooperationsmodelle zwischen gebundenen Ganztagsgrundschulen und Angeboten der Jugendhilfe
Eltern, Leitungen sowie Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte äußerten sich sehr ähnlich zum Mehrwert der Kooperationsmodelle. Für die Kinder bzw. pädagogischen Prozesse in der Klasse/Gruppe sahen sowohl Eltern als auch Pädagoginnen bzw. Pädagogen beispielsweise, dass der soziale Zusammenhalt und die Beziehungen, sowohl unter den Kindern als auch zwischen den Pädagoginnen bzw. Pädagogen und den Kindern, besser sind als in Regelklassen. Sehr viele Äußerungen spiegelten auch wieder, dass der multiprofessionelle Blick auf die Kinder einen Mehrwert darstellt. Kinder werden mit unterschiedlichem professionellem Blick in unterschiedlichen Situationen des Tagesablaufs, z.B. in leistungsorientierten und freien Situationen beobachtet, was einen ganzheitlicheren Blick und ein besseres Verständnis des Verhaltens der Kinder bringt.
Bei der Auswertung der Fragen nach Gelingensbedingungen, Herausforderungen und Schwierigkeiten, nach dem Handlungsbedarf und nach Empfehlungen für den weiteren Ausbau der Kooperationsprojekte kristallisierten sich:
- die Zusammensetzung des Teams und Personalfaktoren,
- Entwicklungsmöglichkeiten,
- Organisationsprozesse sowie
- Rahmenbedingungen als Themen heraus.
Ein zentrales Thema war, dass den Beteiligten genügend Zeit, insbesondere für Besprechungen, zur Verfügung gestellt werden sollte. Der regelmäßigen gemeinsamen Planung und Abstimmung wird eine sehr hohe Bedeutung für ein Gelingen zugeschrieben. Die gewährte Zeit sei bei Weitem nicht ausreichend. Folge sei, dass eine gemeinsame Planung des Unterrichts bzw. der pädagogischen Zeit im Hort/Tagesheim von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften an den Kooperationsstandorten oftmals zu wenig umgesetzt /werden kann.
Offene Ganztagsschule Kombi
Insgesamt ergab sich bei allen am Modellprojekt beteiligten Personengruppen eine eher hohe Gesamtzufriedenheit mit dem OGTS-Kombi-Modell. Lediglich die Träger der Kooperationspartner waren mit dem OGTS-Modell im Gesamten weniger zufrieden. Alle antwortenden Träger wiesen in Bezug auf Nachteile des Modells auf Schwierigkeiten bei der Finanzierung hin.
Die Kinder bewerteten das OGTS-Kombi-Modell im Durchschnitt als gut, wobei sich deutliche Unterschiede zwischen den Standorten zeigten. Aus den Antworten auf die Frage, was die Kinder nach vier Wochen Abwesenheit (z.B. Ferien) von OGTS-Kombi und Schule vermissen, wurde deutlich, dass die OGTS-Kombi für die Kinder primär ein Ort der Begegnung ist und hier vorrangig der Begegnung mit anderen Kindern. Die Kinder vermissen in hohem Maße auch das Außengelände.
Von den Erwachsenen wurden als Vorteile des Kombi-Modells vornehmlich die gesicherte Betreuung zu den Tagesrandzeiten und in den Ferien sowie die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten und Material genannt. Außerdem stellten die engere Zusammenarbeit zwischen Schule, Jugendhilfe und Elternhaus, die fachliche Qualifikation des pädagogischen Personals, die durch das BayKiBiG geregelte kindbezogene Förderung und der damit einhergehende feste Personalschlüssel für viele Befragten einen Mehrwert des OGTS-Kombi-Modells gegenüber anderen Bildungs- und Betreuungsangeboten dar.
Die Einschätzungen zur Kooperation stehen im Widerspruch zu den Aussagen zur tatsächlich realisierten Kooperationspraxis zwischen Fach- und Lehrkräften. Am häufigsten fanden noch informelle, mündliche oder schriftliche Absprachen, z. B. über Hausaufgabenhefte, statt. Nur ein kleinerer Teil der Lehr- und Fachkräfte gab an, dass Absprachen in regelmäßigen, festen Besprechungen stattfinden. Weniger als die Hälfte der Fach- und der Lehrkräfte führte Gespräche mit den Erziehungsberechtigten gemeinsam durch. Andere, intensivere, Kooperationsformen, wie Hospitationen oder gemeinsame Projekttage, wurden nicht oder nur von einzelnen Personen umgesetzt. Von einer systematischen Kooperationspraxis kann nicht ausgegangen werden.
Obwohl die Befragten die lange Betreuung der Schülerinnen und Schüler als Vorteil nannten, stellte die mangelnde Flexibilität des Angebots gleichzeitig den zentralen Kritikpunkt des Modells dar. Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kooperationspartner wurde außerdem mehrfach eine Schnittstellenproblematik angesprochen, die die Zusammenarbeit erschwert. Die Befragten klagten zusätzlich über den bestehenden Fachkräftemangel.
Integrierte Ganztagsbildung Michael-Ende-Schule Nürnberg
Die Gestaltung der multiprofessionellen Kooperation an der Michael-Ende-Grundschule kann als ein Vorbild für andere Modelle der engeren Verzahnung von Schule und Jugendhilfe fungieren. Kommunikation wurde in den Interviews als das „A und O“ für die gelingende Zusammenarbeit beschrieben. Wichtig seien Zeiträume und ein (bezahltes) Zeitkontingent für die Kommunikation zwischen Lehr- und Fachkräften und auf Leitungsebene. Beschrieben wurden eine Vielzahl an Kooperationsmaßnahmen.
Die Evaluation der Integrierten Ganztagsbildung, die die Sicht der Akteure im Modell erfasste, hat Hinweise gegeben, dass es sich hierbei um ein Modell handelt, von dem die Kinder, die Erziehungsberechtigten und das Personal profitieren. Einen sehr großen Mehrwert sahen die befragten Leitungs-, Lehr- und Fachkräfte darin, einen umfassenderen, ganzheitlichen Blick durch die verschiedenen Professionen auf das Kind und die Familien zu erhalten. Hilfreich ist hierfür, dass das Kind sowohl im Unterricht als auch in außerunterrichtlichen Situationen, insbesondere im Hort, erlebt wird. Dadurch kann auch die Pädagogik ganzheitlicher gestaltet werden.
Kottmair, A., Wildgruber, A., Rudolph-Albert, F. & Gschwind, P. (2023). Integrierte Ganztagsbildung an der Michael-Ende-Grundschule Nürnberg. Unveröffentlichter Abschlussbericht an das Bayerische Familien- und das Bayerische Kultusministerium.
Reichert-Garschhammer, E. & Wildgruber, A. (2015). Gelingensbedingungen einer guten Kooperationspraxis von Hort und Ganztagsschule. Theorie und Praxis der Sozialpädagogik (5), 22-26.
Wildgruber, A. (2016). Evaluation des offenen Ganztagsangebots als Kombi-Modell von Jugendhilfe und Schule (OGTS-Kombi). Teilbericht der tabletgestützten Befragung der Kinder.
Wildgruber, A. (2016). Evaluation des offenen Ganztagsangebots als Kombi-Modell von Jugendhilfe und Schule (OGTS-Kombi). Ergebnisse der Befragung der Kinder und Kommunen. Interner Abschlussbericht an das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration.
Wildgruber, A. (2017). Schulkindbetreuung bzw. Hort und Grundschule im Dialog. In M. Wertfein, A. Wildgruber, C. Wirts & F. Becker-Stoll (Hrsg.), Interaktionen in Kindertageseinrichtungen (S. 124-137). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Wildgruber, A., Gschwind, P., Magister, C. & Schiffhauer, S. (2017). Evaluation des offenen Ganztagsangebots als Kombi-Modell von Jugendhilfe und Schule (OGTS-Kombi). Interner Abschlussbericht an das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration und das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst.
Wildgruber, A. & Kron-Sperl, V. (2015). Wissenschaftliche Begleitung der Modellprojekte „Kooperation von Ganztagsschulen mit Angeboten der Jugendhilfe“. Bericht zu den Datenerhebungen im Schuljahr 2014/15. Interner Abschlussbericht an das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration sowie das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst.
Wissenschaftliche Begleitung der Modellprojekte „Kooperation von Ganztagsschulen mit Angeboten der Jugendhilfe“: Dr. Andreas Wildgruber & Dr. Franziska Kron-Sperl (ISB)
Evaluation der Integrierten Ganztagsbildung Michael-Ende-Grundschule Nürnberg: Agnes Kottmair & Dr. Andreas Wildgruber
Evaluation der Offenen Ganztagsschule Kombi: Dr. Andreas Wildgruber, Pippa Gschwind (ISB), Caroline Magister (ISB) & Dr. Silke Schiffhauer (ISB)
Ansprechpartner
Dr. Andreas Wildgruber
andreas.wildgruber@ifp.bayern.de
+49 89 99825-1927
Projektmitarbeit
Evaluation des Modellversuchs Integrierte Ganztagsbildung an der Michael-Ende-Grundschule Nürnberg: Ko-Leitung Agnes Kottmair