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Bedingungsfaktoren für gelingende Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern (BIKE)

Die BIKE-Studie untersuchte Bedingungsfaktoren für gelingende Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern und ging der Frage nach, welche Kompetenzen und Ressourcen pädagogische Fachkräfte benötigen, um die Interessen und Kompetenzen der Kinder individuell aufgreifen und angemessen unterstützen zu können.

Anlass

Internationale Studien zur pädagogischen Qualität in Tageseinrichtungen und im Unterricht belegen, dass die konkreten Interaktionen zwischen PädagogInnen und Kindern, d.h. wie PädagogInnen und Kinder miteinander sprechen und handeln, entscheidend für das Gelingen von Bildungsprozessen sind. Eine höhere Qualität der Fachkraft-Kind-Interaktion konnte mit besseren Lern- und Entwicklungsfortschritten in sowohl akademischen Kompetenzbereichen, wie z.B. der Sprachentwicklung, als auch der sozio-emotionalen Entwicklung in Verbindung gebracht werden (Anders et al., 2012; Mashburn et al., 2008; Siraj-Blatchford et al., 2002). Bei der Betrachtung der Praxis in Kindertageseinrichtungen sowohl in Deutschland als auch international zeigte sich jedoch nur ein mittleres Niveau der Interaktionsqualität. Insbesondere in bildungsunterstützenden Aspekten der PädagogInnen-Kind-Interaktion war ein relativ niedriges Qualitätsniveau festzustellen, wobei über Studien als wirksam herausgefundene Interaktionsformen bzw. Formen der Lernunterstützung relativ selten in der Praxis auftraten (vgl. Anders et al., 2011; König, 2009; Kuger & Kluczniok, 2008; Siraj-Blatchford & Manni, 2008).

Quellen

  • Anders, Y., Rossbach, H.-G., Weinert, S., Ebert, S., Kuger, S., Lehrl, S. et al. (2012). Home and preschool learn-ing environments and their relations to the development of early numeracy skills. Early Childhood Research Quarterly, 27 (2), 231–244.
  • König, A. (2009). Interaktionsprozesse zwischen ErzieherInnen und Kindern: Eine Videostudie aus dem Kinder-gartenalltag. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Kuger, S. & Kluczniok, K. (2008). Prozessqualität im Kindergarten. Konzept, Umsetzung und Befunde. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft, 11, 159–178.
  • Mashburn, A. J., Pianta, R. C., Hamre, B. K., Downer, J. T., Barbarin, O., Bryant, D., et al. (2008). Measures of classroom quality in prekindergarten and childen’s development of academic, language, and social skills. Child Development, 79(3), 732–749.
  • Siraj-Blatchford, I. & Manni, L. (2008). Would you like to tidy up now? An analysis of adult questioning in the English Foundation Stage. Early Years 28 (1): 5-22.
  • Siraj-Blatchford, I., Sylva, K., Muttock, S., Gilden, R. & Bell, D. (2002). Researching Effective Pedagogy in the Early Years. DfES Research Report 356.
Ziele

Die BIKE-Studie untersuchte die Fachkraft-Kind-Interaktionen im Kitaalltag und befasste sich mit der Frage, welche Bedingungen sich positiv auf die Beziehungen und Bildungsprozesse auswirken. Dabei kam es nicht darauf an, „die perfekte Kita“ zu finden, sondern möglichst repräsentativ aufzuzeigen, welche Interaktionen in den untersuchten Einrichtungen unter den jeweiligen realen Bedingungen und in verschiedenen Situationen (z.B. Freispiel, Mittagessen) stattfinden. Im Rahmen der Studie wurde auch die Eignung des „Classroom Assessment Scoring Systems“ (CLASS Pre-K) (Pianta et al., 2008) für die Qualitätserfassung und Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen erprobt.

Fragestellungen der Studie:

  • Welche Formen der Erzieherinnen-Kind-Interaktion zeigen sich in der Praxis in bayerischen Kindertageseinrichtungen?
  • Welche Bedingungsfaktoren (Umwelt, Person) finden sich in Einrichtungen mit hoher Interaktionsqualität im Unterschied zu solchen mit niedriger Interaktionsqualität?
  • Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Interaktions-, Orientierungs- und Strukturqualität?

Quelle: Pianta, R. C., La Paro, K. M. & Hamre, B. K. (2008). Classroom Assessment Scoring System. Manual (Pre-K). Baltimore: Paul H. Brookes Publishing Co.

Methodisches Vorgehen

Die Pilotierung erfolgte 2012, hierzu wurden bei 17 Fachkräften aus bayerischen Konsultationseinrichtungen Hospitationen und Befragungen durchgeführt. In der Hauptstudie wurden insgesamt 85 Fachkräfte aus 46 Einrichtungen aus Dachau, Rosenheim, Freising und Augsburg beobachtet und befragt. Nach Möglichkeit vor Ort wurden pro Einrichtung Daten von zwei Zielerzieherinnen erhoben. Jede Erhebung dauerte ca. 5 Stunden (4 Std. Hospitation, 1 Std. Nachbefragung) und umfasste folgende Schritte:

  • Durchführung von Interaktionsbeobachtungen mit dem CLASS Pre-K (Pianta, La Paro & Hamre, 2008) in unterschiedlichen Alltagssituationen mit Fokus auf Beziehungs-, Organisations- und Lernunterstützungsqualität
  • Durchführung einer mündlichen Nachbefragung der Fachkraft, u.a. zu Einstellungen zu verschiedenen Bildungsbereichen (aus dem BayBEP und den Bayerischen Bildungsleitlinien) und zu effektivem Lernen
  • Einsatz schriftlicher Fragebögen an die Einrichtungsleitung und die Fachkraft, insbesondere zu Struktur- und Personendaten und zum Fachwissen im Bereich sprachliche Entwicklung und Förderung
Ergebnisse

Pädagogische Qualität muss immer vor dem Hintergrund der bestehenden Rahmenbedingungen in der Einrichtung gesehen werden. Da sich jedoch teilweise große Unterschiede in der Ausnutzung der Ressourcen bei vergleichbaren Bedingungen beobachten lassen, kommt es auch darauf an, wie Fachkräfte die jeweiligen Arbeitsbedingungen erleben und was die pädagogischen Teams aus den jeweiligen Gegebenheiten machen. Die Fachkräfte sollten sich daher immer wieder ihrer eigenen persönlichen und professionellen Ressourcen und Grenzen bewusst werden. Erst dann können sie selbst und im Team nach Möglichkeiten suchen, die bestehenden Ressourcen für gelingende Interaktionen im Kita-Alltag effektiv zu nutzen und zu erweitern (vgl. Viernickel et al., 2011). Die Ergebnisse der BIKE-Studie deuten insbesondere im Bereich der Lernunterstützung auf einen ausgeprägten Weiterentwicklungs- und Fortbildungsbedarf der pädagogischen Fachkräfte hin.

Die BIKE-Studie macht außerdem deutlich: ist die Gruppengröße bei einer Aktivität zu groß oder sind zu wenige Fachkräfte verfügbar, leidet die Qualität der emotionalen Unterstützung, der Alltagsorganisation und der möglichen Lernunterstützung.

Wir wissen bereits aus der IFP-Krippenstudie (Wertfein et al., 2012), dass die Belastbarkeit der Fachkräfte eng mit der Verfügungszeit, d.h. der Zeit für mittelbare Tätigkeit zusammenhängt. Auch die BIKE-Studie zeigt, dass die Zeit für mittelbare Tätigkeit für die meisten Fachkräfte und die zu bewältigenden Aufgaben nicht ausreicht. Dies geht auf Kosten der unmittelbaren pädagogischen Tätigkeit, der Freizeit und damit Gesundheit der Fachkräfte und führt nicht selten zu einer Verschlechterung der Atmosphäre und der Interaktionen in der Einrichtung (vgl. Tietze et al., 1998). Hier sind auch die in der BIKE-Studie ermittelten Zusammenhänge mit den niedrigen Werten im Bereich der Lernunterstützung zu sehen. Eine hochwertige Lernunterstützung findet aktuell eher im Bereich von strukturierten Angeboten wie Vorlesesituationen statt. Für diese benötigen die pädagogischen Fachkräfte jedoch Zeit zur Vorbereitung, die meist nicht ausreichend zur Verfügung steht.

Veröffentlichungen

Veröffentlichungen

Der Ergebnisbericht der BIKE-Studie "Bedingungsfaktoren für gelingende Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern" steht hier als Download zur Verfügung.

Wirts, C. & Wertfein, M. (2022). Interaktionsqualität im Fokus. Weiß ich, was ich tu? Tu ich, was ich weiß? TPS - Theorie und Praxis der Sozialpädagogik (3), 36-39.

Wirts, C., Wertfein, M. & Wildgruber, A. (2017). Unterstützung kindlicher Kompetenzentwicklung und ihre Bedingungen in Kindertageseinrichtungen. In M. Wertfein, A. Wildgruber, C. Wirts & F. Becker-Stoll (Hrsg., 2017). Interaktionen in Kindertageseinrichtungen. (S. 59–72). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Wirts, C., Wertfein, M. & Wildgruber, A. (2017). The importance of professional knowledge for learning support in German ECEC settings. In C. Hruska & A. Gunn (Hrsg.), Interactions and learning: Interaction research and early education. Singapur: Springer.

Wertfein, M., Wildgruber, A., Wirts, C. & Becker-Stoll, F. (Hrsg.) (2017). Interaktionen in Kindertageseinrichtungen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Wirts, C., Wildgruber, A. & Wertfein, M. (2016). Die Bedeutung von Fachwissen und Unterstützungsplanung im Bereich Sprache für gelingende Interaktionen in Kindertageseinrichtungen. In H. Wadepohl, K. Mackowiak, K. Fröhlich-Gildhoff & D. Weltzien (Hrsg.), Interaktionsgestaltung in Familie und Kindertagesbetreuung (S. 147–170). Wiesbaden: Springer.

Wildgruber, A., Wertfein, M., Wirts, C., Kammermeier, M. & Danay, E. (2016). Situative Unterschiede der Interaktionsqualität im Verlauf des Kindergartenalltags. Frühe Bildung, 5 (4), 206-213.

Wildgruber, A. (2016). Zum Beitrag von (Interaktions-)Forschung für eine Professionalisierung des pädagogischen Handelns. In T. Friederich, H. Lechner, H. Schneider, G. Schoyerer & C. Ueffing (Hrsg.), Kindheitspädagogik im Aufbruch Professionalisierung, Professionalität und Profession im Diskurs. Weinheim: Beltz.

Wertfein, M., Wirts, C. & Wildgruber, A. (2015). Bedingungsfaktoren für gelingende Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern. Ausgewählte Ergebnisse der BIKE-Studie. IFP-Projektbericht 27/2015. München: Staatsinstitut für Frühpädagogik.

Wertfein, Wirts, C. & Wildgruber, A. (2014). Was beeinflusst die Interaktion zwischen Erzieherinnen und Kindern? - Einblicke in die BIKE-Studie. IFP-Infodienst 19, S. 28.

Wildgruber, A., Wirts, C. & Wertfein, M. (2014). Interaktionsqualität in Kindertageseinrichtungen – Forschung mit dem Classroom Assessment Scoring System (CLASS Pre-K). In: Annedore Prengel & Monika Winklhofer (Hrsg.). Kinderrechte in pädagogischen Beziehungen - Studien und Forschungsmethoden. Opladen/Berlin/Toronto: Barbara Budrich.

Wirts, C. (2014). Sprache lernen im Dialog - Interaktionsqualität erfassen. In: Glück, C. W. (Hrsg.). Fokus Sprachförderung. Konzepte-Bedingungen-Wirkungen. Leipzig: Universität Leipzig.

Qualifikationsarbeiten

Plese, Dolores (2016). „Sprachliche Kompetenzen in Kindertageseinrichtungen - die Rolle der pädagogischen Fachkraft“. Masterstudiengang „Pädagogik mit Schwerpunkt Bildungsforschung und Bildungsmanagement“, LMU München.

Hein, Katharina (2014). Gender im Kindergarten – eine Videoanalyse. Geschlechterdifferenz und Geschlechtergleichheit in Interaktionen der Erzieherinnen mit den Mädchen und Jungen. Internationaler Masterstudiengang Early Childhood Studies, PH Weingarten.

Ballweg, Silvia (2014). „Bildungs- und Erziehungsbereiche innerhalb der Erzieher-Kind-Interaktion – eine Videoanalyse von Freispiel und Essen im Kindergarten“. Masterstudiengang „Pädagogik mit Schwerpunkt Bildungsforschung und Bildungsmanagement“, LMU München.

Vankann, Nina (2013). Persönlichkeit und Arbeitsmotivation der Erzieherin – Zusammenhang mit der Beziehungsqualität zwischen Erzieherin und Kind. Masterstudiengang „Pädagogik mit Schwerpunkt Bildungsforschung und Bildungsmanagement“, LMU München.

Projektteam

Projektteam
Andrea Schuster, Marina Kammermeier (Forschungspraktikantin)

Weitere Erheber(innen)
Dr. Daniela Mayer, Martin Krause, Anita Kofler, Kerstin Müller, Christa Kieferle, Anna Spindler

Ansprechpartner

Dr. Claudia Wirts

+49 89 99825-1963

Dr. Monika Wertfein

+49 89 99825-1946

Dr. Andreas Wildgruber

+49 89 99825-1927

Projektlaufzeit

2012 bis 2015

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